Bangladesch: Internet erneut wegen Protesten gesperrt

Ausgebrannte Busse in Dhaka
Am Montag hat Premierministerin Sheikh Hasina das Land verlassen. (Quelle: IMAGO / ABACAPRESS)

Die Regierung in Bangladesch hat am Wochenende erneut das Internet eingeschränkt. Bei regierungskritischen Protesten waren in dem südasiatischen Land Medienberichten zufolge allein am Sonntag mehr als 90 Menschen getötet worden. Am Montag ist Premierministerin Sheikh Hasina nun zurückgetreten und aus dem Land geflohen.

Die Organisation NetBlocks berichtete am Montag, das Internet in Bangladesch funktioniere teilweise wieder. Es sei noch unklar, ob dies von Dauer sein werde. Laut der NGO Access Now sind die meisten Social-Media-Plattformen weiterhin nicht erreichbar.

Noch am Montagmorgen hatte NetBlocks eine landesweite Internetsperre bestätigt, die Medienberichten zufolge am Sonntag verhängt wurde. Die Einschränkungen betrafen demnach sowohl Verbindungen über das Festnetz als auch über Mobilfunk. Angaben von NetBlocks zufolge hatte die Regierung bereits am Freitag die Plattformen Facebook, WhatsApp und Telegram blockieren lassen. Am Wochenende wurde dann auch der Internetzugang über das Mobilfunknetz eingeschränkt, bevor alle Verbindungen blockiert wurden.

Viele Tote bei Ausschreitungen

Der Tagesschau zufolge ist es am Wochenende bei Protesten gegen die Regierung in mehreren Landesteilen erneut zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen. Am Sonntag sollen dabei mehr als 90 Menschen ums Leben gekommen sein – auch 14 Polizisten seien unter den Toten. Die Regierung hatte eine Ausgangssperre verhängt, die von den Demonstrierenden jedoch ignoriert wurde.

Seit Mitte Juli seien mindestens 300 Menschen bei den Demonstrationen getötet und 11.000 Menschen in den vergangenen Wochen festgenommen worden. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hatte von einer “Hexenjagd” gesprochen und kritisiert, mit Massenverhaftungen wollten die Behörden kritische Stimmen unterdrücken und ein Klima der Angst verbreiten.

Die Proteste hatten Anfang Juli friedlich an den Universitäten des Landes mit knapp 170 Millionen Einwohnern begonnen. Auslöser war die zwischenzeitlich geplante Wiedereinführung eines umstrittenen Quotensystems – zuletzt forderten die Demonstrierenden aber den Rücktritt der seit 2009 amtierenden Hasina und ihres Kabinetts.

Das Quotensystem hatte vorgesehen, dass 30 Prozent der Arbeitsstellen im öffentlichen Dienst an Angehörige von Soldaten vergeben werden sollen, die im Unabhängigkeitskrieg im Jahr 1971 gekämpft hatten. Kritiker hatten bemängelt, dadurch würden Bewerber aus regierungsnahen Familien bevorzugt. Die Stellen im Staatsdienst gelten als gut bezahlt und verhältnismäßig sicher – während es insbesondere unter jungen Menschen im Land eine hohe Arbeitslosigkeit gibt.

Proteste gegen Regierung

Das Oberste Gericht hatte zwar noch im Juli Teile der umstrittenen Regelung gekippt – die Proteste gingen aber weiter. Die Demonstrierenden forderten den Rücktritt der Regierungschefin und Gerechtigkeit für die Opfer.

Am Montag hättenDemonstrierende den Amtssitz der Regierungschefin gestürmt. Sie soll das Land verlassen haben und sich nun in Indien aufhalten – der Chef der Armee bestätigte ihren Rücktritt. Er versprach, es werde nun eine Übergangsregierung gebildet.

Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte Volker Türk hatte am Sonntag ein Ende der “schockierenden Gewalt” gefordert. Die Regierung müsse aufhören, gegen die friedlichen Teilnehmer der Protestbewegung vorzugehen. Willkürlich Inhaftierte müssten freigelassen und die Netzsperre aufgehoben werden.

Auch Access Now hatte ein Ende der Internetsperre gefordert – es handle sich um eine eklatante Missachtung von Grundrechten. Am Montag appellierte Access Now auch an die geplante Übergangsregierung, den Zugang zum Internet zu gewährleisten.

Die Menschenrechtsorganisation hatte die Regierung bereits im Juli aufgefordert, das Internet nicht zu blockieren. Nach dem Ausbruch der Proteste hatte die Regierung schon einmal zunächst Facebook und WhatsApp und dann landesweit alle Internetverbindungen sperren lassen. Diese Blockade soll insgesamt elf Tage lang angehalten haben.

Menschenrechtler kritisieren Netzsperren

Menschenrechtsexperten kritisieren Netzsperren, weil sie sich stets auf viele Menschen auswirken und zu “enormen Kollateralschäden” führen. Ihre Sicherheit und ihr Wohlergehen sei dabei bedroht, weil sie ohne Kommunikationsmöglichkeiten beispielsweise nicht vor Gefahren gewarnt werden können. Auch die Berichterstattung durch unabhängige Medien kann so eingeschränkt werden. Eine Internetsperre betreffe unmittelbar das Recht auf Meinungsfreiheit und Zugang zu Informationen.

Laut Access Now wurden Internetverbindungen oder einzelne Plattformen in Bangladesch seit dem Jahr 2018 schon mehrfach eingeschränkt. Ende 2022 wurden beispielsweise die Verbindungsgeschwindigkeiten wiederholt verlangsamt, als Oppositionsanhänger gegen die Regierung protestiert hatten. (js)