BGH: Werbung mit "klimaneutral" muss begründet werden

Bundesgerichtshof
Selbst in einer Lebensmittelfachzeitschrift darf laut Gericht nicht davon ausgegangen werden, dass die Leser wissen, wie unterschiedlich eine neutrale CO2-Bilanz erreicht werden kann. (Quelle: Joe Miletzki)

Unternehmen dürfen nur dann mit dem Begriff “klimaneutral” werben, wenn sie in der Werbung selbst erklären, wie die Klimaneutralität erreicht wird. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe entschieden. Unternehmen müssen direkt in der Werbung darüber aufklären, ob sie CO2 komplett vermeiden oder Kompensationen leisten und beispielsweise Klimaschutzprojekte unterstützen. Wird nur mit dem Begriff allein geworben, ist das irreführend, urteilte das Gericht am Donnerstag.

Im konkreten Fall hatte die Frankfurter Wettbewerbszentrale gegen den Lakritz- und Fruchtgummihersteller Katjes geklagt, weil dieser 2021 in einer Fachzeitschrift für Lebensmittel damit geworben hatte, dass seine Lebensmittel klimaneutral produziert würden. Allerdings läuft der Herstellungsprozess der Produkte nicht CO2-neutral ab. Stattdessen leistet das Unternehmen Zahlungen an Kompensationsdienstleister, um Klimaschutzprojekte zu unterstützen.

Die Wettbewerbszentrale hielt die Werbeaussagen deswegen für irreführend; die Zielgruppe der Werbung gehe davon aus, dass der Herstellungsprozess selbst komplett klimaneutral abläuft, so die Argumentation. Die Kläger hatten gefordert, dass die Werbeaussagen zumindest um den Hinweis ergänzt werden, dass die Klimaneutralität erst durch Kompensationen zustande kommt.

Das höchste deutsche Zivilgericht hat Katjes nun zur Unterlassung der irreführenden Werbung verurteilt. Die Werbung sei mehrdeutig, weil der Begriff “klimaneutral” sowohl so verstanden werden kann, dass eine Reduktion von CO2 im Produktionsprozess stattgefunden hat als auch so, dass bloß Kompensationen geleistet wurden. Die Werbung sei daher irreführend.

Frühere Urteile

Zuvor hatte die Wettbewerbszentrale mit ihrer Klage keinen Erfolg gehabt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte noch argumentiert, dass die Verbraucher wüssten, dass eine neutrale CO2-Bilanz über unterschiedliche Wege erreicht werden kann.

Dem Oberlandesgericht hatte auch ausgereicht, dass Katjes online darüber informierte, wie die Klimaneutralität der Produkte erreicht wird. Über einen QR-Code in der Anzeige konnten auf einer Webseite mehr Informationen hierzu nachgelesen werden. Nach diesem Urteil legte die Wettbewerbszentrale Revision ein.

Der Bundesgerichtshof stellte nun klar: Aufklärende Hinweise zur Klimaneutralität außerhalb der umweltbezogenen Werbung sind nicht ausreichend. “Das Berufungsgericht hat nicht beachtet, dass im Bereich der umweltbezogenen Werbung – ebenso wie bei gesundheitsbezogener Werbung – eine Irreführungsgefahr besonders groß ist und ein gesteigertes Aufklärungsbedürfnis der angesprochenen Verkehrskreise über Bedeutung und Inhalt der verwendeten Begriffe und Zeichen besteht.”

Wettbewerbsvorteil Greenwashing

Auch haben die Richterinnen und Richter des BGH festgestellt, dass die Kompensation von Emissionen nicht gleichzusetzen ist mit dem Vermeiden der Treibhausgase. Stattdessen ist es so, “dass die Reduktion gegenüber der Kompensation unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes vorrangig ist”, so das Gericht. Die Irreführung sei auch wettbewerblich relevant, da die vermeintliche Klimaneutralität für die Kaufentscheidung des Verbrauchers von erheblicher Bedeutung sei.

Die Kläger zeigten sich zufrieden nach dem Urteil: “Unternehmen, die massiv investieren in die Umstellung der gesamten Logistik oder Produktion, der Energiebeschaffung, et cetera, die haben massive Investitionen und die fühlen sich natürlich im Wettbewerb benachteiligt, wenn jemand mit einem schillernden Begriff das Gleiche verspricht, obwohl er das nicht macht”, erklärte Reiner Münker von der Wettbewerbszentrale. “Deswegen war das für uns von Anfang an immer ein Wettbewerbsthema.”

EU-Gesetze in Vorbereitung

Werbung mit vermeintlicher Klimaneutralität steht bereits seit längerem in der Kritik. So hat beispielsweise die Umweltschutzorganisation Deutsche Umwelthilfe gegen verschiedene Unternehmen geklagt, die ihre Produkte als “klimaneutral” oder “umweltfreundlich” beworben hatten. Nach erfolgreichen Klagen mussten unter anderem der Kaffeekonzern Lavazza, die Drogeriekette dm und der Konsumgüterkonzern Beiersdorf ihre Werbung anpassen.

Strengere Auflagen für grüne Werbeversprechen sind auch auf EU-Ebene in Arbeit. Erst in der vergangenen Woche hatten sich die Umweltministerinnen und minister der EU-Staaten auf Regeln für freiwillige Aussagen von Unternehmen hinsichtlich der Umwelt oder Klimafreundlichkeit von Produkten geeinigt.

Demnach sollen Unternehmen zur Untermauerung ihrer Angaben und Kennzeichnungen klare Kriterien und die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse verwenden. Es soll zudem klar erkennbar sein, worauf sich Umweltaussagen beziehen – etwa auf die Haltbarkeit oder Recyclingfähigkeit. Die Staaten müssen nun mit dem Europaparlament einen Kompromiss aushandeln. (dpa / hcz)