Dominikanische Republik: Investigativjournalistin mit Pegasus ausgespäht
Das Smartphone der Investigativjournalistin Nuria Piera wurde mehrfach mit der Spähsoftware Pegasus infiziert. Das haben Sicherheitsforscher von Amnesty International nachgewiesen. Die Menschenrechtsorganisation fordert ein Moratorium für den Handel und Einsatz von Spähsoftware.
Der Untersuchung zufolge wurde das Smartphone der Journalistin erstmals im Juli 2020 mit Pegasus infiziert. Im September und Oktober 2021 gelangte die Spähsoftware erneut auf ihr Mobiltelefon. Sicherheitsforscher vom Citizen Lab an der Universität Toronto haben die Untersuchungsergebnisse unabhängig bestätigt.
Wie Amnesty berichtet, hatte Piera zum Zeitpunkt der Angriffe zu Korruptionsfällen recherchiert, mit denen hochrangige Regierungsbeamte in Verbindung gestanden haben sollen. Auch Verwandte des ehemaligen Präsidenten Danilo Medina sollen involviert gewesen sein. Gegen die Beteiligten wurden später Strafverfahren eingeleitet.
Was ist Pegasus?
Pegasus ist eine Spionagesoftware der israelischen Firma NSO Group. Die Spähsoftware kann ein infiltriertes Gerät komplett übernehmen und beispielsweise die Kamera und das Mikrofon unbemerkt anschalten – oder sämtliche Daten kopieren. Auch Standortdaten lassen sich abrufen und Passwörter auslesen. Das Überwachungsprogramm steht seit Jahren im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen in der Kritik.
Im November 2021 hatte Piera eine Warnung von Apple erhalten, mit der sie über einen möglichen Angriff informiert wurde. Der Konzern informiert seit Ende vergangenen Jahres Nutzerinnen und Nutzer, wenn er Hinweise auf staatliche Spionageangriffe entdeckt. Daraufhin hatte sie ihr Gerät von den Sicherheitsexperten bei Amnesty untersuchen lassen.
Behörden sichern Untersuchung zu
Unklar bleibt indes, wer genau hinter dem Angriff steckt. Der Pegasus-Entwickler, die israelische NSO Group, verkauft die Spähsoftware eigenen Angaben zufolge nur an staatliche Stellen.
Das dominikanische Innenministerium sowie die Generalstaatsanwaltschaft erklärten gegenüber Amnesty International, seit dem Amtsantritt von Präsident Luis Abinader im August 2020 hätten die Behörden Pegasus weder gekauft noch eingesetzt. Andere Behörden hätten auf Anfragen hingegen nicht reagiert.
Das Innenministerium und die Generalstaatsanwaltschaft erklärten sich darüber hinaus auch bereit, den Fall zu untersuchen. Amnesty forderte schnelle, unabhängige und transparente Ermittlungen – auch andere Fälle, bei denen Menschen möglicherweise unrechtmäßig überwacht wurden, müssten untersucht werden.
“In einem Land, in dem Journalisten und Menschenrechtsverteidiger seit langem angeben, dass die Überwachung weit verbreitet ist, sollte die Entdeckung von Pegasus als eine besorgniserregende Bedrohung angesehen werden. Da die Überwachung enorme Risiken für die physische Sicherheit und das psychische Wohlbefinden von Medienschaffenden birgt und ihre Quellen, Kollegen, Freunde und Familienangehörigen in Gefahr bringen kann, müssen die dominikanischen Behörden diesen Fall unverzüglich untersuchen und wirksame Schutzmaßnahmen ergreifen”, forderte Elina Castillo Jiménez, Forscherin für digitale Überwachung bei Amnesty.
Fälle in anderen Ländern der Region
Bei dem Spähsoftware-Einsatz gegen Piera handelt es sich laut Amnesty um den ersten bestätigten Fall in der Dominikanischen Republik. In Lateinamerika konnten zuvor bereits mehrere Fälle in Mexiko und El Salvador nachgewiesen werden. Insgesamt gebe es weltweit nun mindestens 18 Staaten, in denen der Einsatz von Spähsoftware gegen Medienschaffende und Menschenrechtsaktivisten belegt werden konnte – das tatsächliche Ausmaß des Missbrauchs von Überwachungstechnologie ist nach Einschätzung der Organisation wahrscheinlich aber “viel größer”. Journalisten und Aktivisten wegen ihrer Arbeit ins Visier zu nehmen, stehe niemals im Einklang mit internationalen Menschenrechtsvorschriften.
Die Organisation erneuerte ihren Ruf nach einem globalen Moratorium für den Handel, die Weitergabe und den Einsatz von Spähsoftware.
Erika Guevara-Rosas von Amnesty kommentierte: “Die Dominikanische Republik ist das neueste Land, in dem Spionagesoftware als Waffe eingesetzt wird, um mutige Journalisten zum Schweigen zu bringen und einzuschüchtern. Nachdem wir bereits mehrere Fälle in Mexiko und El Salvador aufgedeckt haben, werden wir weiterhin allen Hinweisen auf einen möglichen weiteren Einsatz von Pegasus in der Dominikanischen Republik nachgehen.”
Dutzende Medienschaffende und Menschenrechtler in der Dominikanischen Republik hätten gegenüber Amnesty International den Verdacht geäußert, aufgrund ihrer Arbeit abgehört zu werden. Die Organisation beklagt jedoch einen Mangel an Transparenz in Bezug auf Überwachungsmaßnahmen in dem Land – Betroffenen stünden daher häufig keine Rechtsmittel zur Verfügung.
Auf der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen belegt die Dominikanische Republik Rang 43 von 180 Staaten. Die Organisation berichtet ebenfalls, unter Medienschaffenden sei die Angst weit verbreitet, von der Regierung oder großen Unternehmen überwacht zu werden. (js)