Frankreich: Klage gegen Videoüberwachung zu Olympia

Überwachungskamera und Schilder in Paris
NGOs und Europapolitiker kritisieren, Frankreich sei das erste Land der EU, das solche Überwachungsmethoden erlaubt.(Quelle: IMAGO / agefotostock)

Französische Abgeordnete haben am Montag Klage vor dem Verfassungsgericht gegen ein neues Gesetz eingereicht, das zeitweise den Einsatz algorithmengestützter Videoüberwachung erlaubt. Demnach dürfen Kameraaufnahmen während der Olympischen Spiele im Juni 2024 mithilfe von Algorithmen ausgewertet werden, um beispielsweise gefährliche Situationen zu erkennen. Die Klagenden kritisieren das Gesetz als verfassungswidrig.

Die Fraktionen der Grünen und von “La France insoumise” erklärten, aus ihrer Sicht stelle die Regelung einen schweren Eingriff in die Grundrechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit dar. Außerdem greife die Videoüberwachung unverhältnismäßig in die Privatsphäre ein. Das Gericht solle das Gesetz für verfassungswidrig erklären.

Im Gesetz werde zudem behauptet, dass keine biometrischen Daten verarbeitet werden. Das laufe aber der Definition von biometrischen Daten aus der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zuwider. Denn die Systeme hätten die Aufgabe, beispielsweise Personen aufgrund ihres Verhaltens wiederzuerkennen. Die Abgeordneten warnen außerdem, der Einsatz von Algorithmen könne zu Diskriminierung führen – wenn beispielsweise Personen, die einem bestimmten Profil entsprechen, von der Software zur Kontrolle ausgewählt werden.

Das Gesetz beschränke den Einsatz der Videoüberwachung auch nicht auf die Olympischen und Paralympischen Spiele, sondern erlaube sie allgemein für “Sport-, Freizeit- und Kulturveranstaltungen”. Die Regierung habe nicht nachgewiesen, dass das Gesetz den Grundsätzen der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit entspricht.

Breite Kritik im Vorfeld

Die französische Nationalversammlung hatte dem Gesetz bereits Ende März zugestimmt und damit eine Rechtsgrundlage für die Auswertung von Kameraaufnahmen mithilfe von Algorithmen geschaffen. Das System soll selbstständig Ereignisse wie Menschenansammlungen erfassen und auf eventuelle Gefahren hin analysieren.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hatte Ende März erklärt, es handle sich um einen “umfassenden Angriff auf die Rechte auf Privatsphäre, Protest und Versammlungs- und Meinungsfreiheit”.

Wie die Zeitung Le Monde berichtet, könnten die Systeme bereits bei der Rugby-Weltmeisterschaft im Herbst 2023 getestet werden.

Bereits vor der Verabschiedung des Gesetzes hatte es breite Kritik daran gegeben: Mitte März hatten etwa 40 Abgeordnete des Europäischen Parlaments in einem offenen Brief an die französische Nationalversammlung gewarnt, Frankreich würde unter dem “Vorwand der Olympischen Spiele” einen “Präzedenzfall für Überwachung schaffen, wie es ihn in Europa noch nie gegeben hat”. Frankreich ist demnach der erste Mitgliedsstaat der Europäischen Union, der die algorithmengestütze Videoüberwachung legalisiert hat.

Die EU-Abgeordneten hatten auch vor einer abschreckenden Wirkung durch die Videoüberwachung gewarnt. Bei einer Großveranstaltung wie den Olympischen Spielen müssten außerdem die Grundrechte geschützt werden.

“Bedrohung für die bürgerlichen Freiheiten”

Auch ein Bündnis aus 38 zivilgesellschaftlichen Gruppen hatte gewarnt, die Regelung verstoße gegen internationale Menschenrechtsabkommen. Zudem sei zu befürchten, dass die Überwachungstechnik weiter im Einsatz bleiben wird, sobald sie einmal installiert ist – so sei es auch nach den Olympischen Spielen 2012 in London und der Fußballweltmeisterschaft 2018 in Russland gewesen.

Frederike Kaltheuner von Human Rights Watch hatte kritisiert, die Überwachung stelle “eine ernsthafte Bedrohung für die bürgerlichen Freiheiten und demokratischen Prinzipien” dar. Außerdem handle es sich um einen weiteren Schritt zur Normalisierung “außergewöhnlicher Überwachungsbefugnisse unter dem Deckmantel der Sicherheit bei Großveranstaltungen”.

Die Bürgerrechtsorganisation La Quadrature du Net wirft der französischen Regierung außerdem vor, sie habe in Bezug auf technische und rechtliche Aspekte “gelogen”. Die Organisation sieht in dem dem Gesetz außerdem einen Verstoß gegen EU-Recht. Die Olympischen Spiele würden als Vorwand genutzt, um die seit langem geplante Legalisierung dieser Technologien schneller umzusetzen.

Die Olympischen Sommerspiele 2024 finden vom 26. Juli bis zum 11. August 2024 in Paris statt. Vom 28. August bis zum 8. September 2024 ist die französische Hauptstadt Austragungsort der Paralympics. Der Einsatz der algorithmengesteuerten Videoüberwachung soll bis Ende März 2025 erlaubt sein. (js)