EU-Ausschüsse stimmen gegen Taxonomieaufnahme von Gas und Atom

EU-Ausschüsse
Ohne Russland keine Atomkraft: 40 Prozent der europäischen Uranimporte stammen aus Russland und Kasachstan. (Quelle: Europäisches Parlament – Screenshot Posteo)

Der Umwelt- und der Wirtschaftsausschuss im EU-Parlament haben sich gegen Pläne der EU-Kommission ausgesprochen, Atomkraft und Gas übergangsweise als umweltfreundliche Energien einzustufen. Die gemeinsame Entscheidung am Dienstag fiel laut EU-Parlament mit 76 zu 62 Stimmen bei 4 Enthaltungen.

Ausschlaggebend wird nun die Abstimmung des gesamten Parlaments im Juli sein. Lehnt es den Kommissionsvorschlag ebenfalls ab, wäre dieser gescheitert.

“Das ist eine erste Klatsche gegen den Versuch der Kommissionschefin von der Leyen, Atomkraft und Gas durch die Hintertür als grün zu deklarieren”, sagte der Grünen-Europaabgeordnete Michael Bloss. Es brauche jeden Euro für Solar- und Windkraft. Auch die deutsche Grünen-Chefin Ricarda Lang begrüßte die Entscheidung.

Parlament muss Farbe bekennen

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) wertete die Abstimmung als “einen wichtigen Etappensieg gegen das Greenwashing dieser umweltschädlichen Technologien”. Die Organisation verweist auf ein eigens erstelltes Rechtsgutachten, das die Vereinbarkeit des Kommissionsvorschlags mit der EU-Taxonomieverordnung anzweifelt.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der christdemokratischen EVP-Fraktion, Markus Ferber, wertete die Entscheidung als ein Zeichen für einen glaubwürdigen Standard.

Nach dem Nein der Ausschüsse sieht Bundesumweltministerin Steffi Lemke realistische Chancen, das umstrittene Vorhaben ganz zu stoppen. “Nun besteht eine ernsthafte Chance, dass dieser Rechtsakt, der an die Finanzmärkte ein fatales Signal senden würde, nicht kommt”, kommentierte die Grünen-Politikerin. Sie hoffe jetzt, “dass das Plenum des Europaparlamentes den Ausschüssen folgt und diesen Rechtsakt stoppt”, den sie für einen großen Fehler hält.

“Umweltschutz um Jahre zurückgeworfen”

Die Kommission hatte im Februar entschieden, die beiden Energiequellen in die sogenannte Taxonomie aufzunehmen. Die sogenannte Taxonomie der EU ist eine Art Kompass für nachhaltige Finanzen. Sie soll Bürger und Anleger dazu bringen, in klimafreundliche Technologien zu investieren, um die Klimaziele zu erreichen.

Die Kommissionspläne hatten bei Umweltschützern für Proteste gesorgt. Sie sehen den Klima- und Umweltschutz Europas um Jahre zurückgeworfen und forderten die Bundesregierung auf, gegen den Rechtsakt zu stimmen und sogar zu klagen.

Martin Kaiser, geschäftsführender Vorstand von Greenpeace, bemängelte anlässlich der damaligen Kommissionsentscheidung, die Einstufung widerspräche wissenschaftlichen Erkenntnissen und den Empfehlungen der EU-eigenen Expertinnen und Experten. Die Deutsche Umwelthilfe hatte die Entscheidung damals als “klimapolitische Bankrotterklärung” bezeichnet.

Atomenergie verstärkt Abhängigkeit von Russland

Befürworter der Atomenergie versprechen sich von der Wiederbelebung in Europa auch mehr Unabhängigkeit von Russland im Energiebereich.

Allerdings stellte Ende April der BUND in seinem sogenannten Uranatlas fest, dass dieser Effekt größtenteils ausbleiben wird. Denn sowohl Deutschland als auch weitere europäische Staaten beziehen einen Teil des benötigten Urans aus Minen in Russland und Kasachstan. Wolle Europa im Energiebereich wirklich unabhängig von Russland werden, “muss es auch im Atombereich seine Zusammenarbeit mit Russland schnellstmöglich einstellen”, hatte Uwe Witt, Referent Klimaschutz und Strukturwandel bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung, damals betont.

Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH, stimmte nun zu: “Die Öffnung der Taxonomie für fossiles Gas und Atomkraft ist angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine besonders verantwortungslos, denn sie zementiert die Abhängigkeit Europas von Energieimporten und macht unsere Energieversorgung unsicherer statt unabhängiger.”

Endgültige Entscheidung ausstehend

Das aktuelle Votum der Ausschüsse hat nur Signalwirkung und könnte als Orientierung für noch unentschlossene Parlamentarier dienen.

Das Vorhaben kann nur noch durch eine absolute Mehrheit im EU-Parlament oder von mindestens 20 EU-Ländern abgelehnt werden. Ansonsten würde der Rechtsakt automatisch in Kraft treten. Der SPD-Europaabgeordnete, Joachim Schuster, sagte zur anstehenden Abstimmung im Plenum: “Bei der Entscheidung des gesamten Europäischen Parlaments wird sich zeigen, wie ernst es den Abgeordneten mit dem Umwelt- und Klimaschutz in Europa wirklich ist.”

Bei einem Nein müsste die Kommission ihren Vorschlag zurückziehen oder ändern. Bislang haben sich aber nicht genügend EU-Staaten öffentlich gegen das Vorhaben ausgesprochen. Das Europäische Parlament wird im Juli darüber abstimmen. (dpa / hcz)