Hausdurchsuchungen bei Radiosender waren rechtswidrig

Redaktionsräume
Journalistenorganisationen sahen in den Durchsuchungen ebenfalls einen Angriff auf die Pressefreiheit. (Quelle: Radio Dreyeckland – CC BY-SA 2.0 DE)

Die Hausdurchsuchungen beim Freiburger Radiosender Dreyeckland Anfang dieses Jahres waren unzulässig. Das hat das Landgericht Karlsruhe am 22. August entschieden. Somit waren der Sender und die Bürgerrechtsorganisation Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) mit ihrer gemeinsamen Klage erfolgreich.

Das Landgericht sieht durch die Durchsuchungen und die Beschlagnahme von Laptops mehrere Grundrechte wie die Rundfunkfreiheit verletzt, teilte die GFF am Montag mit. Die Durchsuchungen in den Privatwohnungen der Redakteure hätten außerdem gegen die Unverletzlichkeit der Wohnung verstoßen. Die Maßnahmen waren demnach unverhältnismäßig. Die Staatsanwaltschaft muss zudem die sichergestellten Daten löschen.

Im Januar hatte die Staatsanwaltschaft Karlsruhe die Redaktionsräume des nicht kommerziellen Radiosenders sowie die Privatwohnungen zweier Redakteure durchsuchen lassen. Auch mehrere Laptops wurden dabei beschlagnahmt. Anlass dafür war ein Artikel, in dem auf ein Archiv der Internetseite “linksunten.indymedia” verlinkt wurde.

Die Plattform war im Jahr 2017 verboten worden. Die Staatsschutzabteilung der Staatsanwaltschaft sah in dem Beitrag des Radiosenders eine strafbare Unterstützung einer verbotenen Vereinigung.

Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) hatte die Durchsuchungen im Januar als “Angriff auf die Pressefreiheit” kritisiert, der Deutsche Journalistenverband (DJV) bezeichnete sie als einen massiven Verstoß gegen das Redaktionsgeheimnis und als “gezielten Einschüchterungsversuch gegen unliebsame Journalisten”.

Einschüchterung der Presse

Die GFF weist in ihrer Mitteilung darauf hin, dass unrevidierbarer Schaden angerichtet worden ist. “Dieses rabiate Vorgehen sendet fatale Signale – die auch die erfreuliche Gerichtsentscheidung zur Rechtswidrigkeit der Durchsuchungen nicht rückgängig machen kann”, schreibt die GFF.

Auch das Landgericht Karlsruhe warne in seiner Urteilsbegründung, die unverhältnismäßigen Durchsuchungen unter Verletzung des Redaktionsgeheimnisses könnten eine erhebliche einschüchternde Wirkung haben. Redaktionsmitglieder könnten künftig zögern, über staatliche Angelegenheiten kritisch zu berichten.

Das Gericht hat den Beschluss noch nicht veröffentlicht.

Redakteur weiter vor Gericht

Eine Klage gegen den Autor des Artikels läuft indessen weiter. Das Oberlandesgericht Stuttgart hatte die Anklage gegen den Redakteur des Radiosenders im Juni zugelassen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Journalisten weiterhin vor, durch die Verlinkung eine verbotene Vereinigung unterstützt zu haben.

Laut GFF muss nun im Verfahren die Frage beantwortet werden, ob das Setzen eines Links im Rahmen eines Presseberichts überhaupt eine strafbare Unterstützungshandlung darstellen kann.

Die Staatsanwaltschaft war zunächst vor dem Landgericht Karlsruhe gescheitert, als die Richter die Klage im Mai abgelehnt hatten. Sie sahen die Verlinkung als Teil der journalistischen Aufgabe und nicht als Unterstützung einer verbotenen Vereinigung. Journalistenverbände hatten die erstinstanzliche Entscheidung als “wichtiges Urteil” für die Pressefreiheit begrüßt.

Verbot umstritten

Der frühere Bundesinnenminister Thomas de Maizière hatte die Internetplattform “linksunten.indymedia” im August 2017 auf Grundlage des Vereinsgesetzes verboten. Das Ministerium hatte damals erklärt, es handle sich um “die einflussreichste Internetplattform gewaltbereiter Linksextremisten in Deutschland”.

Die GFF hält das Verbot hingegen für unverhältnismäßig. Zuletzt wurde eine Verfassungsbeschwerde gegen das Verbot im März 2023 vom Bundesverfassungsgericht aus formalen Gründen abgewiesen.

Radio Dreyeckland ist aus der Anti-Atomkraftbewegung entstanden. Die erste Sendung wurde, damals noch unter anderem Namen, Ende der 1970er Jahre ausgestrahlt. Seit 1988 hat der Sender eine offizielle Rundfunklizenz. (hcz)