Internetsperre in Bangladesch wegen Protesten

Sandalen und Flaschen von Protestierenden, dahinter Polizisten
Am Sonntag hat das Oberste Gericht das umstrittene Quotensystem für Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst bereits eingeschränkt. (Quelle: IMAGO / ZUMA Press Wire)

Seit Tagen funktioniert das Internet in Bangladesch nicht mehr, weil die Regierung eine Netzsperre verhängt hat. Hintergrund sind landesweite Proteste gegen die Wiedereinführung eines umstrittenen Quotensystems bei der Vergabe von Stellen im Staatsdienst. In der vergangenen Woche war es dabei zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen.

Wie unter anderem die Organisation NetBlocks berichtet, wurde das Internet landesweit bereits am 18. Juli gesperrt. Die Einschränkungen sollen sowohl Verbindungen über das Festnetz als auch über Mobilfunk betreffen und weiter anhalten.

Bereits in den Tagen zuvor hatte die Regierung demnach Zugang zu Facebook und WhatsApp eingeschränkt. Dem folgte eine Blockade des mobilen Internets.

Babu Ram Pant von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International sprach von einer willkürlichen Netzsperre, die sowohl die Meinungsfreiheit als auch die Versammlungsfreiheit einschränke. Den Zugang zu Informationen zu unterbinden, während die Gewalt eskaliere, sei rücksichtslos – und beeinträchtige auch die Sicherheit der Menschen in dem südasiatischen Land.

Proteste seit Anfang Juli

Bereits Anfang Juli hatten die Proteste an den Universitäten in Bangladesch begonnen. In der vergangenen Woche war es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstrierenden und Sicherheitskräften gekommen. Medienberichten zufolge sollen dabei mehr als 140 Menschen getötet worden sein. Die Polizei gibt an, mehr als 500 Menschen verhaftet zu haben. Am Freitag wurde eine Ausgangssperre verhängt.

Hintergrund der Proteste ist die zwischenzeitlich geplante Wiedereinführung eines umstrittenen Quotensystems. Mehr als die Hälfte aller Stellen sollte dabei für bestimmte Gruppen reserviert sein. Dabei hatte es vorgesehen, dass 30 Prozent der Arbeitsstellen an Angehörige von Soldaten vergeben werden sollen, die im Unabhängigkeitskrieg im Jahr 1971 gekämpft hatten. Die Demonstrierenden kritisieren, dadurch würden Bewerber aus regierungsnahen Familien bevorzugt. Bereits in der Vergangenheit hatte es eine solche Regelung gegeben; sie war im Jahr 2018 jedoch aufgehoben worden – nachdem es massive Proteste dagegen gegeben hatte.

Die Stellen im Staatsdienst gelten als gut bezahlt und verhältnismäßig sicher – während es insbesondere unter jungen Menschen im Land eine hohe Arbeitslosigkeit gibt. Studierende waren deshalb seit Wochen gegen die Wiedereinführung des Quotensystems auf die Straße gegangen.

Oberstes Gericht urteilt zu Regelung

Am Sonntag hatte der Oberste Gerichtshof schließlich Teile der umstrittenen Regelung gekippt: In 93 Prozent der Fälle sollen nun bei der Vergabe der Stellen die Leistungen der Bewerberinnen und Bewerber ausschlaggebend sein. Fünf Prozent der Stellen sollen für die Nachkommen von Soldaten reserviert sein. Der Rest soll an Frauen, Angehörige ethnischer Minderheiten oder Menschen mit Behinderung vergeben werden.

Medienberichten zufolge haben führende Vertreter der Proteste das Urteil begrüßt, zunächst aber auch angekündigt, weiter demonstrieren zu wollen. Die Organisation “Students Against Discrimination” kündigte am Montag jedoch an, ihre Aktionen für 48 Stunden aussetzen zu wollen. Es gibt aus den Reihen der Studierenden auch Forderungen, alle Festgenommenen freizulassen und die Universitäten wieder zu öffnen – oder gar nach einem Rücktritt der Regierung.

Auch die Internetsperre bestehe trotz der Gerichtsentscheidung weiter, berichtet die Nachrichtenagentur AP am Montag. Das Auswärtige Amt in Berlin erklärte, mit “Einschränkungen und Verschlechterungen der Lage” müsse gerechnet werden – und weist auch auf die Internetblockade hin.

Kritik an Netzsperre

Die Menschenrechtsorganisation Access Now forderte die Regierung von Bangladesch am Montag erneut auf, den Internetzugang wieder herzustellen. Bereits am Freitag hatte Access Now gemeinsam mit weiteren NGOs einen offenen Brief an die Regierung gerichtet.

Durch das Verhängen von Internetsperren würden in der Verfassung von Bangladesch und in internationalen Abkommen garantierte Rechte verletzt, kritisieren die NGOs. Zudem kritisieren sie Netzsperren als unverhältnismäßige Maßnahme. Sie sei auch nicht geeignet, die Gewalt einzudämmen.

Menschenrechtsexperten kritisieren Netzsperren auch, weil sie sich stets auf viele Menschen auswirken. Ihre Sicherheit und ihr Wohlergehen sei dabei bedroht, weil sie ohne Kommunikationsmöglichkeiten beispielsweise nicht vor Gefahren gewarnt werden können. Auch die Berichterstattung durch unabhängige Medien kann so eingeschränkt werden.

Laut Access Now wurden Internetverbindungen oder einzelne Plattformen in Bangladesch seit dem Jahr 2018 schon mehrfach eingeschränkt. Ende 2022 wurden beispielsweise die Verbindungsgeschwindigkeiten wiederholt verlangsamt, als Oppositionsanhänger gegen die Regierung protestiert hatten. (js)