Iran: Zwei Journalistinnen zu langen Haftstrafen verurteilt

Schild auf Demonstration für Frauenrechte
Mahsa Amini und die iranische Protestbewegung wurden in der vergangenen Woche vom Europäischen Parlament ausgezeichnet. (Quelle: IMAGO / NurPhoto)

Die iranischen Journalistinnen Nilufar Hamedi und Elahe Mohammadi sind zu 13 beziehungsweise 12 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Die beiden Frauen waren im vergangenen Jahr unter den ersten, die über den Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini berichtet hatten.

Medienberichten zufolge, hat ein iranisches Revolutionsgericht Nilufar Hamedi in der vergangenen Woche zu 13 Jahren Haft verurteilt. Elahe Mohammadi muss für 12 Jahre ins Gefängnis. Den beiden Journalistinnen waren unter anderem angebliche Zusammenarbeit mit der US-Regierung sowie “Propaganda gegen den Staat” vorgeworfen worden.

Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) kritisierte bereits während der Verhandlung, es würden Scheinprozesse gegen die beiden Journalistinnen geführt. Sie haben nun 20 Tage lang Zeit, in Berufung zu gehen.

Beide Frauen waren im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit ihrer Berichterstattung über den Tod von Mahsa Amini verhaftet und angeklagt worden. Amini war im September 2022 von der sogenannten Sittenpolizei inhaftiert worden, weil sie angeblich ihr Kopftuch nicht vorschriftsmäßig getragen hatte. Am 16. September 2022 war die 22-Jährige – mutmaßlich durch Misshandlungen der Sittenpolizei – verstorben. Ihr Tod hatte landesweite Proteste gegen das Regime ausgelöst.

In Haft wegen eines Fotos

Nilufar Hamedi war Reporterin für die Tageszeitung “Shargh Daily”. Sie hatte im September 2022 davon erfahren, dass Amini in die Notaufnahme des Teheraner Kasra-Krankenhauses eingeliefert wurde. Die Reporterin machte sich daraufhin auf den Weg in das Krankenhaus, wo sie Aminis Eltern traf, die erst kurz zuvor vom Tod ihrer Tochter erfahren hatten. Hamedia fotografierte die trauernden Eltern und veröffentlichte das Foto in den sozialen Medien.

Laut RSF erfuhr die Welt durch dieses Foto vom Schicksal Aminis. Der Journalistin Hamedi sei klar gewesen, dass die Behörden die Nachricht vom Tod der jungen Frau verheimlichen wollten. Im Vorfeld habe es bereits Anweisungen an Medien gegeben, nicht über den Fall zu berichten – und rund um das Krankenhaus sei mehr Sicherheitspersonal als üblich im Einsatz gewesen.

Die Journalistin, die schon früher über Frauenrechte berichtet hatte, wurde am 22. September verhaftet. Ihr Prozess hatte nach Angaben von RSF Ende März 2023 begonnen.

Bericht von der Beerdigung

Auch Elahe Mohammadi hatte laut RSF früh von Mahsa Aminis Tod erfahren und Kontakt zu ihrer Familie aufgenommen. Im Auftrag der reformorientierten Zeitung “Ham Mihan” fuhr sie am 17. September 2022 zur Beerdigung Aminis – und berichtete als einzige Journalistin von dort.

Ende September wurde auch Mohammadi zum Verhör geladen und vom Geheimdienst festgenommen. Die ersten 17 Tage im Ewin-Gefängnis musste sie in Einzelhaft verbringen. Laut RSF haben Sicherheitskräfte während der Haft zudem eine öffentliche Verleumdungskampagne gegen die Journalistin gefahren.

Christopher Resch, Sprecher von RSF, bezeichnete die Urteile auf Anfrage von Posteo als “skandalös”. Er sagte: “Ein ganzes Jahr haben die Behörden Elahe Mohammadi und Nilufar Hamedi in Untersuchungshaft gesteckt, nur um dann ein extrem hartes Urteil zu sprechen – an Hamedis Geburtstag. Das zeigt einmal mehr, wie rachsüchtig das Regime in Teheran ist. Wir werden weiter mit all unserer Kraft dafür kämpfen, dass die beiden Journalistinnen wie auch alle anderen inhaftierten Medienschaffenden aus dem Gefängnis freikommen. Jeder Tag ist einer zu viel.”

Auch Sherif Mansour vom Kommittee zum Schutz von Journalisten (CPJ) kritisierte: “Die Verurteilungen von Nlufar Hamedia und Elahe Mohammadi sind eine Farce und ein deutlicher Beweis für die Aushöhlung der Meinungsfreiheit und die verzweifelten Versuche der iranischen Regierung, den Journalismus zu kriminalisieren.”

Der stellvertretende US-Sondergesandte für den Iran, Abram Paley, erklärte, bei beiden Journalistinnen “hätten niemals inhaftiert werden dürfen, und wir verurteilen die Urteile. Das iranische Regime inhaftiert Journalisten, weil es die Wahrheit fürchtet.”

EU-Parlaments zeichnet Amini aus

Mahsa Amini wurde in der vergangenen Woche vom Europäischen Parlament posthum mit dem Sacharow-Preis für geistige Freiheit ausgezeichnet. Der Preis ging außerdem an die Bewegung “Frauen, Leben, Freiheit”, die durch ihren Tod ausgelöst wurde.

Bei den Protesten wurden Amnesty International zufolge Hunderte Demonstrierende und Unbeteiligte getötet. Zehntausende Menschen wurden willkürlich verhaftet. Viele Frauen ignorieren als Zeichen des Protests weiterhin die Kopftuchpflicht im Land – die Behörden gehen jedoch verstärkt dagegen vor.

Erst Anfang Oktober soll außerdem die 16-jährige Schülerin Armita Garawand von der sogenannten Sittenpolizei schwer verletzt worden, sie lag daraufhin zunächst im Koma. Medienberichten zufolge haben Ärzte sie inzwischen für hirntot erklärt.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen belegt der Iran Platz 177 von 180 Staaten. Aktuell befinden sich dort 21 Medienschaffende in Haft. Darunter vier Frauen: Nilufar Hamedi, Elahe Mohammadi, Vida Rabbani sowie Narges Mohammadi, die Anfang Oktober mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. (js)