Iran: Friedensnobelpreisträgerin erneut zu Haftstrafe verurteilt
Die iranische Menschenrechtsaktivistin Narges Mohammadi ist zu einer weiteren Gefängnisstrafe von 15 Monaten verurteilt worden. Sie setzt sich unter anderem gegen den Kopftuchzwang und die Todesstrafe ein und sitzt aktuell bereits eine Haftstrafe ab.
Medienberichten zufolge wurde Mohammadi wegen angeblicher Propaganda gegen den Staat für schuldig befunden. Das Gericht entschied zudem, dass sich die Aktivistin nach dem Verbüßen ihrer Freiheitsstrafe zwei Jahre lang nicht in der Hauptstadt Teheran niederlassen und das Land nicht verlassen darf. Außerdem darf sie für denselben Zeitraum kein Smartphone benutzen und sich nicht in gesellschaftspolitischen Gruppen engagieren.
Wie Mohammadis im Exil lebende Familie am Montag mitteilte, erging das Urteil bereits am 19. Dezember. Mohammadi selbst hatte den Prozess boykottiert – das Urteil wurde in ihrer Abwesenheit gefällt. Ihre Familie kritisierte das Urteil als “politische Erklärung”. Damit werde der Vorwurf gegen Mohammadi unterstrichen, sie habe wiederholt die öffentliche Meinung gegen das iranische Regime aufgebracht, um “Chaos und Unruhe zu stiften”.
Friedensnobelpreis 2023
Für ihren Einsatz für Frauenrechte hatte Mohammadi im vergangenen Jahr den Friedensnobelpreis erhalten. Bei der Preisverleihung im Dezember in Oslo konnte die 51-Jährige jedoch nicht selbst anwesend sein – denn sie sitzt in ihrer Heimat seit 2021 im Gefängnis.
Bekannt ist Mohammadi auch für ihren Einsatz gegen die Todesstrafe, weshalb sie im Jahr 2015 verhaftet wurde. Menschenrechtsorganisation beklagen seit langem, dass die Todesstrafe vom Regime als Mittel politischer Unterdrückung eingesetzt wird. Mindestens 700 Menschen sollen im Jahr 2023 hingerichtet worden sein.
Laut Mohammadis Familie handelt es sich bei dem neuen Urteil bereits um die fünfte Verurteilung seit März 2021. Die Strafen summierten sich demnach auf insgesamt 12 Jahre und drei Monate Gefängnis, 154 Peitschenhiebe sowie verschiedene soziale und politische Einschränkungen.
Aktivismus im Gefängnis
Selbst während ihrer Haft hat die Menschenrechtsaktivistin ihr Engagement nicht eingestellt: Als in Folge des Todes der 22-jährigen Mahsa Amini im Herbst 2022 landesweite Proteste im Iran ausgebrochen waren, drückte Mohammadi ihre Unterstützung für die Demonstrierenden aus und organisierte Solidaritätsaktionen unter ihren Mitgefangenen – worauf die Gefängnisleitung mit strengeren Auflagen reagierte.
Amini war im September 2022 von der sogenannten Sittenpolizei wegen eines angeblich falsch sitzenden Kopftuchs festgenommen worden. Wenige Tage später starb sie – mutmaßlich in Folge von Gewalt durch die Sittenwächter.
Im Dezember 2022 beschrieb Mohammadi in einem Brief an die BBC, wie bei den Demonstrationen festgenommene Frauen in der Haft misshandelt werden.
Neues Verfahren gegen Journalistinnen
Unterdessen teilte die iranische Justiz Medienberichten zufolge am Montag mit, ein neues Verfahren gegen die beiden Journalistinnen Nilufar Hamedi und Elahe Mohammadi eingeleitet zu haben. Sie waren im Herbst 2022 unter den ersten, die über den Tod von Mahsa Amini berichtet hatten.
Im Oktober hatte ein Gericht Nilufar Hamedi zu 13 und Elahe Mohammadi zu 12 Jahren Haft verurteilt. Den beiden Journalistinnen waren unter anderem angebliche Zusammenarbeit mit der US-Regierung sowie “Propaganda gegen den Staat” vorgeworfen worden. Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) hatte kritisiert, es seien Scheinprozesse gegen die beiden Frauen geführt worden. Sie hatten gegen die Urteile Rechtsmittel eingelegt.
Erst am Sonntag waren sie gegen Kaution freigelassen worden. Auf Fotos und Videos war zu sehen, wie Nilufar Hamedi und Elahe Mohammadi ihre Freilassung aus dem berüchtigten Ewin-Gefängnis – in dem auch Narges Mohammadi eingesperrt ist – feierten. Nun wirft ihnen die iranische Justiz vor, sie hätten sich auf Fotos “ohne Hidschab” gezeigt – und damit gegen die Kleidervorschriften verstoßen.
Jonathan Dagher von RSF erklärte am Dienstag: “Nach monatelangem Einsatz für ihre Freilassung waren wir erleichtert, Nilufar Hamedi und Elahe Mohammadi außerhalb der Mauern des Ewin-Gefängnisses lächeln zu sehen. Aber wir hatten kaum Zeit, unsere Erleichterung zum Ausdruck zu bringen, als die Behörden eine neue Haftandrohung aussprachen. Wir fordern die endgültige und bedingungslose Freilassung dieser beiden Journalistinnen und Journalisten und ein Ende der gerichtlichen Schikanen, denen sie ausgesetzt sind.”
Verstärkte Repressionen
Menschenrechtsorganisationen zufolge haben die Behörden im Iran ihr Vorgehen gegen Frauen, die sich den Kleidervorschriften widersetzen, im vergangenen Jahr verstärkt. Seit Juli 2023 patrouilliert etwa die sogenannte Sittenpolizei wieder auf den Straßen des Landes, nachdem sie zuvor einige Monate lang verschwunden war.
Vor dem Jahrestag der landesweiten Prozesse hatten die Behörden Berichten zufolge unter anderem Aktivistinnen und Aktivisten, Künstler und Studierende festgenommen. Auch Familienangehörige von Demonstrierenden, die im Jahr 2022 getötet wurden, seien eingeschüchtert und verhaftet worden. (js)