NGO: Google löscht Standortdaten mit Bezug zu Abtreibungskliniken nicht
Google speichert weiterhin Standortdaten, wenn Nutzerinnen und Nutzer in den USA Abtreibungskliniken besuchen – obwohl der Anbieter versprochen hatte, solche Daten zu löschen. Das zeigt eine aktuelle Untersuchung der NGO Accountable Tech. Google erklärte, teils seien die besuchten Kliniken nicht als besonders “vertrauliche Orte” eingestuft worden, weil es sich nicht um reine Abtreibungskliniken gehandelt habe.
Der Oberste Gerichtshof der USA hatte im Juni 2022 das bisherige Abtreibungsrecht in den USA gekippt. Seitdem haben mehr als 20 US-Bundesstaaten Schwangerschaftsabbrüche verboten oder eingeschränkt.
Bürgerrechtler hatten damals vermehrt gewarnt, von Apps und Online-Diensten gesammelte Standortdaten könnten den Besuch einer Abtreibungsklinik verraten. Strafverfolgungsbehörden können mittels richterlichem Beschluss die Herausgabe solcher Daten fordern.
Auch Google sammelt Standortdaten seiner Nutzerinnen und Nutzer, etwa über die Navigations-App “Google Maps” – die häufig von US-Strafverfolgern angefordert werden. Im Zuge des Urteils hatte der Konzern im Juli 2022 angekündigt, künftig Informationen über den Besuch von medizinischen Einrichtungen wie Abtreibungskliniken oder Beratungsstellen aus dem “Standortverlauf” automatisch löschen zu wollen.
Tests in sieben Bundesstaaten
Die NGO Accountable Tech kritisiert nun in einem Bericht, das geschehe nur in der Hälfte der Fälle.
Für ihre Untersuchung nutzte die Organisation jeweils ein neu eingerichtetes Android-Smartphone mit neuem Google-Account und fuhr mithilfe der Google-Maps-Navigation zu acht Abtreibungskliniken. Durchgeführt wurde dieser Test in insgesamt sieben Bundesstaaten: Florida, Georgia, Nevada, New York, North Carolina, Pennsylvania und Texas.
Anschließend überprüften die Mitarbeitenden, ob und wie diese Besuche im Standortverlauf einsehbar waren. Laut dem Bericht ließen sich die Fahrten bei vier der acht Versuche im Nachhinein abrufen – der Name der jeweiligen Klinik wurde jedoch ausgeblendet. Daten zu Suchanfragen nach dem Standort der Kliniken speicherte Google laut Accountable Tech in allen Fällen, wie die Aktivisten im Google-Konto unter “Web- & App-Aktivitäten” einsehen konnten.
Accountable Tech hatte in den vergangenen eineinhalb Jahren seit dem Urteil mehrfach solche Untersuchungen durchgeführt – mit ähnlichen Ergebnissen. Bei einem Anfang 2023 durchgeführten Test wurden die entsprechenden Daten beispielsweise in 60 Prozent der Fälle nicht gelöscht.
Google widerspricht
Nicole Gill, Geschäftsführerin von Accountable Tech, kommentierte: “Im Amerika nach dem Roe-Urteil erwarten Staatsanwälte, dass Big Tech ihnen hilft, Verfahren gegen Abtreibungssuchende einzuleiten, indem die Unternehmen Daten zur Verfügung stellen, um die Bewegungen von Betroffenen zu verfolgen.” Google habe sein Versprechen nicht gehalten, den Datenschutz zu stärken.
Der Produktmanager für Google Maps, Marlo McGriff, kommentierte gegenüber dem Guardian: “Wir halten uns an unser Versprechen, besonders vertrauliche Orte aus dem Standortverlauf zu löschen, wenn diese Orte von unseren Systemen identifiziert werden – alle Behauptungen, dass wir dies nicht tun, sind offensichtlich falsch oder irreführend.”
In einem der im Bericht aufgelisteten Beispiele hätten die Google-Systeme die Klinik der Organisation Planned Parenthood nicht erkannt, weshalb die Daten nicht gelöscht worden seien, erklärte McGriff. In einem anderen Fall sei eine Klinik besucht worden, die auch andere Behandlungen vornehme – und daher nicht als vertraulicher Standort eingestuft werde.
Standortverlauf soll offline gespeichert werden
Erst im Dezember hatte Google weitere Schritte angekündigt: So soll der “Standortverlauf” von Google Maps künftig nicht mehr auf den Servern des Anbieters, sondern offline auf den Geräten der Nutzenden selbst gespeichert werden.
Das sei ein “Schritt in die richtige Richtung”, heißt es dazu von Accountable Tech. Die Organisation erklärt aber auch, man könne sich nicht darauf verlassen, dass Google seine Versprechen innerhalb eines angekündigten Zeitraums umsetze.
Die Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation hatte im Dezember erklärt, die von Google angekündigten Änderungen würden es Strafverfolgern erschweren oder gar unmöglich machen, Standortdaten von Google zu erhalten. Die NGO sei “vorsichtig optimistisch”, dass damit das Ende sogenannter “Geofence Warrants” eingeläutet werde – erwirken US-Behörden einen solchen richterlichen Beschluss, verlangen sie von Google Informationen zu allen Geräten, die sich zu einem bestimmten Zeitpunkt in einem bestimmten Umkreis aufgehalten haben.
Allerdings sammeln auch andere Anbieter und Apps Standortdaten. US-Behörden kaufen beispielsweise auch kommerziell erhältliche Standortdaten von Datenhändlern. Erst Mitte Januar hatte die US-Handelsaufsicht FTC dem Datenhändler X-Mode untersagt, “sensible Standortdaten” weiterzugeben und zu verkaufen. Die Behörde hatte gewarnt, solche Daten könnten beispielsweise Aufschluss darüber gegeben, welche medizinischen Behandlungen eine Person in Anspruch nimmt.
Ende vergangener Woche gab die Behörde bekannt, auch dem Datenhändler InMarket Media sei der Verkauf solch “sensibler Standortdaten” künftig verboten. (js)