Oberverwaltungsgericht kassiert weitere NetzDG-Vorschrift
Im Rechtsstreit mit Betreibern von sozialen Netzwerken um das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) hat die Bundesrepublik erneut eine Niederlage hinnehmen müssen: Die im Gesetz vorgesehene Pflicht, ein sogenanntes Gegenvorstellungsverfahren vorzuhalten, ist auf Plattformbetreiber mit Sitz in anderen EU-Mitgliedsstaaten teilweise nicht anwendbar. Das hat das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht in Münster am Dienstag auf Antrag von Meta vorläufig festgestellt.
Im NetzDG werden Anbieter verpflichtet, ein “wirksames und transparentes” Gegenvorstellungsverfahren vorzuhalten. Die Plattformen müssen Entscheidungen zur Löschung oder Sperrung von Inhalten auf Antrag betroffener Nutzer hin überprüfen. Befolgen die Plattformen diese Vorschrift nicht, droht ihnen ein Bußgeld. Das Oberverwaltungsgericht hat nun jedoch entschieden, dass Meta bei Fällen mit strafrechtlich relevanten Inhalten vorläufig nicht zur Vorhaltung eines Gegenvorstellungsverfahrens verpflichtet ist.
Verstoß gegen EU-Richtlinie
Das Gericht erklärte, die Anwendung dieser Vorschrift auf in anderen EU-Mitgliedsstaaten ansässige Anbieter dürfte gegen das sogenannte Herkunftslandprinzip der europäischen Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (E-Commerce-Richtlinie) verstoßen. Hiernach müssen sich Anbieter elektronischer Dienste an das Recht des EU-Staates halten, in dem sie sich niedergelassen haben. Im Fall von Meta ist das Irland und nicht Deutschland.
Von diesem Prinzip abzuweichen, wäre laut Gericht nur “unter den dafür ausdrücklich vorgesehenen Voraussetzungen” zulässig. Diese dürften nach Ansicht des Gerichts aber schon deshalb nicht erfüllt sein, “weil die Bundesrepublik Deutschland die maßgeblichen verfahrensrechtlichen Anforderungen nicht eingehalten hat”.
Meta muss aber weiter ein Gegenvorstellungsverfahren für Inhalte vorhalten, die beispielsweise wegen eines Verstoßes gegen die Facebook-Richtlinien gesperrt oder gelöscht wurden. In diesem Fall sei die Pflicht zum Gegenvorstellungsverfahren nicht bußgeldbewehrt.
Der Beschluss des Gerichts kann nicht angefochten werden. Das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht hat damit einen Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts Köln aus dem Jahr 2022 teilweise geändert. Das Gericht hatte damals entschieden, die Vorschrift des Gegenvorstellungsverfahrens sei durch Unionsrecht gedeckt. Meta hatte dagegen Beschwerde eingelegt.
Meldepflicht verstößt ebenfalls gegen Unionsrecht
Schon vor dem Verwaltungsgericht hatten die Plattform-Betreiber damals in weiten Teilen einen juristischen Erfolg erzielt: Neben Meta hatte Google gegen die im NetzDG vorgesehene Meldepflicht für Betreiber von sozialen Netzwerken geklagt. Demnach sollten die Betreiber bei konkreten Anhaltspunkten für bestimmte Straftaten sensible Nutzerdaten an das Bundeskriminalamt (BKA) übermitteln. Erst nach der Datenübermittlung sollte das BKA prüfen, ob die Inhalte tatsächlich strafrechtlich relevant sind und gegebenenfalls Ermittlungen einleiten.
Das Verwaltungsgericht Köln hatte aber in diesem Fall ebenfalls einen Verstoß gegen das sogenannte Herkunftslandprinzip festgestellt.
Google hatte zur Klageeinreichung erklärt, Nutzerinnen und Nutzer müssten aufgrund der Meldepflicht fürchten, dass ihre personenbezogenen Daten bei der Polizei gespeichert werden – auch wenn sie nur rechtmäßige Inhalte veröffentlicht haben. Einmal weitergegebene Daten könnten nicht mehr zurückgenommen werden. Das sei ein massiver Eingriff in die Rechte der Nutzerinnen und Nutzer. Auch seien umfassende Datenbanken mit personenbezogenen Daten einer Vielzahl von Nutzern problematisch.
Das NetzDG war erstmals im Jahr 2017 in Kraft getreten. Gegenvorstellungsverfahren und Meldepflicht wurden erst in einer späteren Novelle des Gesetzes eingeführt.
Im Koalitionsvertrag haben die Parteien der Ampel-Regierungen vereinbart, das NetzDG auf Grundlage europäischer Vorgaben “grundlegend” zu überarbeiten. (dpa / js)