Redakteur von Unterstützung verbotener Vereinigung freigesprochen
Ein Journalist des Freiburger Senders Radio Dreyeckland ist nach einem siebenwöchigen Strafprozess vom Landgericht Karlsruhe freigesprochen worden. Der Redakteur habe mit dem Verlinken einer Internetseite in einem Artikel nicht weiteres Handeln einer verbotenen Vereinigung unterstützt, entschied die Staatsschutzkammer des Gerichts am Donnerstag. Der Artikel selbst sei von der Pressefreiheit gedeckt gewesen. Zudem sei unsicher, ob die verbotene Vereinigung zur Veröffentlichung des Artikels überhaupt noch existiert hat.
Der im Juli 2022 auf der Webseite des nicht-kommerziellen Senders veröffentlichte Bericht enthielt laut Vorwurf der Ermittler einen Link auf ein Archiv der verbotenen Vereinigung “Linksunten.Indymedia”. Die Vereinigung war im August 2017 vom Bundesinnenministerium nach Krawallen am Rande des G20-Gipfels in Hamburg verboten und aufgelöst worden. Angeklagt war der Redakteur wegen Verstoßes gegen ein Vereinigungsverbot.
“Das Gericht hat den Stellenwert der Pressefreiheit ins Zentrum seiner Überlegungen und seiner Entscheidung gerückt”, sagte die Verteidigerin des angeklagten Journalisten, Angela Furmaniak, am Rande der Verhandlung.
Erfolg für die Pressefreiheit
Die Kammer habe nicht belegen können, dass die verbotene Vereinigung fortbestehe, sagte der Vorsitzende Richter Axel Heim. “Dies wäre aber Voraussetzung für eine Strafbarkeit nach § 85 Abs. 2 StGB gewesen, weil nur eine existierende Vereinigung unterstützt werden kann”, teilte das Gericht in einer Mitteilung am Freitag mit. Zudem sei die Verlinkung nicht als “Unterstützungshandlung” zu bewerten.
Der Radiosender teilte mit, das Urteil auch presserechtlich für besonders relevant zu halten. Denn das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass der damalige Artikel und die Verlinkung der betreffenden Webseite von der Presse- und Meinungsfreiheit gedeckt war.
“Das Landgericht hat klargestellt, dass bei der Strafverfolgung von Journalist*innen immer die hohe Hürde der grundrechtlich geschützten Pressefreiheit zu beachten ist”, sagte David Werdermann, Jurist bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die Radio Dreyeckland unterstützt hat. Das gelte insbesondere, wenn in journalistischen Beiträgen fremde Inhalte verlinkt werden. “Auch eine kritische Berichterstattung über Vereinsverbote ist nicht strafbar”, ergänzte Werdermann.
Verteidigerin Furmaniak erklärte, das Verfahren habe trotz des positiven Ausgangs erheblichen Flurschaden hinterlassen: “Die Strafverfolgung meines Mandanten hat zu einer großen Verunsicherung bei vielen Journalist:innen geführt. In diesem Sinne muss das Vorgehen der Staatsanwaltschaft als Angriff auf die Pressefreiheit bezeichnet werden.”
E-Mails beschlagnahmt
Das Gericht entschied auch, dass der Redakteur für die Durchsuchung seiner Wohnung und die Beschlagnahme von Material entschädigt wird. Ermittler hatten im Januar 2023 zwei Mitarbeiterwohnungen – auch die des nun freigesprochenen Redakteurs – und Redaktionsräume durchsucht. Auch Computer wurden dabei beschlagnahmt.
Die Polizei hatte die beschlagnahmten Geräte zwar nach wenigen Tagen zurückgegeben, die Daten aber für weitere Auswertungen kopiert. Laut GFF befanden sich darunter auch über 50.000 E-Mails, der “Aktuellen Redaktion”, die teils bis ins Jahr 2010 zurückgingen. Dazu zählte die Kommunikation mit journalistischen Quellen und Interview-Partnern. Die Redaktion, der auch der Angeklagte Kienert angehört, ist bei Radio Dreyeckland insbesondere für die aktuelle politische Berichterstattung zuständig.
Radio Dreyeckland fordert eine Löschung aller in dem Fall erhobenen Daten.
Juristische Unsicherheit
Der juristische Streit um die Durchsuchungen läuft bereits seit dem Frühjahr 2023. Die GFF hatte damals gemeinsam mit dem Freiburger Radiosender zunächst erfolgreich Beschwerde gegen die Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse eingelegt: Das Landgericht Karlsruhe erklärte die Durchsuchung Ende August für unzulässig.
Nach einer Beschwerde der Staatsanwaltschaft Karlsruhe hatte allerdings das Oberlandesgericht Stuttgart die Durchsuchung von Kienerts Privatwohnung im November für rechtens erklärt. Zur Begründung hieß es, es habe den Anfangsverdacht einer Straftat gegeben. Nicht erneut entschieden hatte das Oberlandesgericht hingegen zu der Durchsuchung der Redaktionsräume.
Eine abschließende Gerichtsentscheidung über die Rechtmäßigkeit der Durchsuchungen steht auch nach dem aktuellen Urteil noch aus. Gegen die Durchsuchung der Privatwohnung des Redakteurs haben die GFF und Anwältin Furmaniak Mitte Dezember Verfassungsbeschwerde eingereicht. Laut GFF soll geklärt werden, dass das Setzen eines Links im Rahmen von Presseberichten keine strafbare Unterstützungshandlung darstellen kann. Außerdem soll das oberste deutsche Gericht feststellen, dass die Durchsuchung von Redaktionsräumen und Mitarbeiterwohnungen sowie die Beschlagnahmung von redaktionellen Daten die Pressefreiheit verletzt. Bis zu einem neuen Urteil hat die Entscheidung des Landgerichts Karlsruhe Bestand.
Auch das aktuelle Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es könne Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt werden, sagte der Vertreter der Staatsanwaltschaft am Rande.
Der Freigesprochene Fabian Kienert hofft allerdings auf ein Ende der Prozesse. Er sagte:“Ich hoffe, dass nach dem Freispruch auch von der Landesregierung das Signal in Richtung Staatsanwaltschaft gesendet wird, dass nicht noch mehr Steuergelder für den Kampf gegen die Pressefreiheit ausgegeben werden sollten.” (dpa / hcz)