Reporter ohne Grenzen klagt gegen Staatstrojaner für Geheimdienste

Staatstrojaner-Symbolbild
Der Bundestag hat den Nachrichtendiensten im Sommer 2021 erlaubt, sogenannte Staatstrojaner zu nutzen. Journalisten sind nicht grundsätzlich davor geschützt. (Quelle: IMAGO / Christian Ohde)

Gemeinsam mit Investigativjournalistinnen und -journalisten sowie dem Verein “Whistleblower-Netzwerk” klagt die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) gegen die Befugnisse der deutschen Nachrichtendienste zur digitalen Überwachung ihrer beruflichen Kommunikation. Am heutigen Donnerstag sollen sogenannte vorbeugende Unterlassungsklagen an verschiedenen Verwaltungsgerichten eingereicht werden, teilten die Beteiligten in Berlin mit. Die Überwachungsbefugnisse gefährdeten investigative Recherchen.

Neben den beiden Organisationen klagen Christina Schmidt und Christian Fuchs, die für Die Zeit arbeiten, sowie RSF-Vorstandsmitglied Martin Kaul, der als Investigativjournalist für den WDR tätig ist. Die Eilanträge werden am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig und den Verwaltungsgerichten in Köln, Schwerin und Wiesbaden gestellt.

Die Kläger wollen ein Verbot des Einsatzes von Spionagesoftware durch den Bundesnachrichtendienst (BND), das Bundesamt (BfV) sowie die Landesämter für Verfassungsschutz (LfV) und das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) gegen “unverdächtige Nebenbetroffene” erwirken.

Kommunikationsüberwachung

Der Bundestag hatte im Juni 2021 mit einer Novelle des Verfassungsschutzrechts erstmals allen Nachrichtendiensten die Möglichkeit eingeräumt, Spähsoftware zur Überwachung von Kommunikation einzusetzen. Bei der “Quellen-TKÜ plus” dürfen die Nachrichtendienste nicht nur auf laufende sondern auch auf ruhende Kommunikation zugreifen, also insbesondere auch auf gespeicherte Chats und Textnachrichten. Das sei ein Eingriff in das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, erklärte der Rechtsanwalt Niko Härting.

Die klagenden Medienschaffenden recherchieren zu rechtsextremen Netzwerken und stehen dazu auch mit Personen in Kontakt, die in das Beobachtungsfeld von Verfassungsschutz und BAMAD fallen. Sie befürchten daher, dass sie zum “Beifang staatlicher Überwachung” werden könnten.

Während das Gesetz die digitale Überwachung beispielsweise von Rechtsanwälten verbiete, seien Medienschaffende nicht grundsätzlich davor geschützt. Dies könne massive Auswirkungen auf den investigativen Journalismus haben – denn Informantinnen und Informanten müssten darauf vertrauen können, dass ihre Gespräche mit Journalisten vertraulich bleiben. Andernfalls könne es einen abschreckenden Effekt auf potenzielle Quellen geben.

Außerdem könnten die Behörden beispielsweise auch Einblicke in redaktionelle Vorgänge und Publikationsabsichten erhalten und somit in das Redaktionsgeheimnis eingreifen.

RSF fürchtet Überwachung durch den BND

Reporter ohne Grenzen sieht sich zudem einem erhöhten Risiko ausgesetzt, von den Überwachungsmaßnahmen des BND erfasst zu werden. Grund dafür sei, dass die Organisation im Austausch mit ausländischen Investigativjournalisten steht. Das Whistleblower-Netzwerk befürchtet ebenfalls, dass bei der Beratung von Informanten das Vertrauen durch eine potenzielle Überwachung untergraben wird.

RSF-Geschäftsführer Christian Mihr kritisierte: “Dieses Gesetz ist auch ein Angriff auf den Informantenschutz im digitalen Raum. Was auf den ersten Blick aussieht wie eine Nebensächlichkeit, kann große Konsequenzen für investigativ arbeitende Journalistinnen und Journalisten haben. Einmal mehr ziehen wir gegen ein Gesetz vor Gericht, das Sachverständige für verfassungswidrig erklärt haben und das dennoch übereilt und ohne Rücksicht auf die Folgen für den Journalismus und die Pressefreiheit in Deutschland verabschiedet wurde.”

Die Klagenden argumentieren weiter, als Nebenbetroffene würden sie von einer verdeckten Überwachung nichts erfahren. Damit hätten sie auch keine Möglichkeit, sich auf dem Rechtsweg dagegen zu wehren.

Die mangelnde Möglichkeit zur wirksamen Beschwerde gegen nachrichtendienstliche digitale Überwachung ist auch Gegenstand einer laufenden Klage von RSF vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Kurzfristig wollen die Kläger erreichen, dass die Nachrichtendienste ihre digitalen Überwachungsmöglichkeiten nicht gegen “unverdächtige Nebenbetroffene” einsetzen dürfen. Zudem fordern sie politische Reformen: Medienschaffende müssten besser vor digitaler Überwachung geschützt werden. Außerdem seien wirkungsvolle Kontrollmechanismen “dringend notwendig”. Dass der parlamentarischen Kontrolle zentrale Informationen vorenthalten werden, habe sich zuletzt Anfang Oktober gezeigt: Damals wurde bekannt, dass auch der BND die umstrittene Überwachungssoftware Pegasus einsetzt. Die Bundesregierung soll das Parlamentarische Kontrollgremium selbst auf direkte Nachfragen hin nicht darüber informiert haben. (js)