Reporter ohne Grenzen: Prominente Journalisten 2024 aus Haft entlassen
In vielen Teilen der Welt riskieren Medienschaffende, aufgrund ihrer Arbeit inhaftiert zu werden. Im Jahr 2024 wurden jedoch auch einige prominente Journalistinnen und Journalisten freigelassen. Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) wertet dies als positives Zeichen angesichts neuer Herausforderungen im Jahr 2025: Der Einsatz für die Pressefreiheit lohne sich.
Bereits im Januar 2024 waren die beiden iranischen Journalistinnen Nilufar Hamedi und Elahe Mohammadi gegen Kaution freigekommen. Sie waren im Herbst 2022 unter den ersten, die über den Tod von Mahsa Amini berichtet hatten. Die junge Kurdin war gestorben, nachdem die sogenannte Sittenpolizei sie festgenommen hatte – ein Ereignis, das Massenproteste gegen die Regierung im Iran ausgelöst hatte.
Wegen ihrer Arbeit waren die Reporterinnen im Oktober 2023 zu langen Haftstrafen verurteilt worden. RSF hatte die Urteile gegenüber Posteo damals als “skandalös” bezeichnet – sie zeigten, wie “rachsüchtig das Regime in Teheran” sei.
Als die Frauen im Januar freigelassen wurden, hatten sie bereits mehrere Monate in Haft verbracht. Ein Gericht hatte zudem ihre Strafe reduziert. Doch Ende Oktober 2024 hatte die iranische Justiz angekündigt, die jeweils verbleibende fünfjährige Haftstrafe vollstrecken zu wollen. Angaben von RSF zufolge wurden seit Beginn der “Frau, Leben, Freiheit”-Bewegung mehr als 100 Journalistinnen und Journalisten im Iran festgenommen; 17 von ihnen sitzen demnach aktuell im Gefängnis.
Laut RSF kam im März zudem der kongolesische Journalist Stanis Bujakera Tshiamala nach sechs Monaten auf freien Fuß. Dem Korrespondenten des Nachrichtenmagazins Jeune Afrique war vorgeworfen worden, ein angeblich gefälschtes Dokument des Geheimdienstes erstellt und verbreitet zu haben. Die Justiz in der Demokratischen Republik Kongo hatte mit einer Verurteilung unter anderem versucht, ihn zur Preisgabe seiner journalistischen Quellen zu zwingen. Human Rights Watch bezeichnete seinen Fall als politisch motiviert. Nach seiner Entlassung forderte er die kongolesischen Medienschaffenden auf, “keinem Druck nachzugeben”.
Nach fast sechs Monaten Haft wurde im Mai der indische Journalist Aasif Sultan gegen Kaution aus dem Gefängnis entlassen. Der Journalist der Monatszeitung Kashmir Narrator arbeitet im indischen Unionsterritorium Jammu und Kaschmir – ihm wurde die Mitgliedschaft in einer Separatistengruppe vorgeworfen. Laut RSF haben Kollegen und Angehörige diese Vorwürfe bestritten und vermutet, er sei wegen kritischer Berichterstattung verhaftet worden. Die Organisation kritisiert, in der Region würden die indischen Behörden mit Antiterrorgesetzen systematisch gegen unabhängigen Journalismus vorgehen – der Fall von Aasif Sultan sei ein Beispiel dafür.
Juristisches Tauziehen
Weltweit Beachtung fand im Juni zudem die Freilassung des WikiLeaks-Gründers Julian Assange, mit der ein 14 Jahre anhaltendes juristisches Tauziehen beendet wurde.
Die US-Justiz hatte dem gebürtigen Australier vorgeworfen, im Jahr 2010 gemeinsam mit der Whistleblowerin Chelsea Manning geheimes Material von US-Militäreinsätzen gestohlen und veröffentlicht zu haben. Damit sei die nationale Sicherheit gefährdet worden. Assange war jahrelang im britischen Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh inhaftiert; die USA versuchten, seine Auslieferung zu erreichen. Britische Gerichte hatten dies wiederholt verhindert.
Letztlich schloss Assange einen Deal mit den USA und bekannte sich der Verschwörung zur unrechtmäßigen Beschaffung und Verbreitung von geheimen Unterlagen schuldig – und kehrte nach Australien zurück.
Gefangenenaustausch
Die Freilassung von Alsu Kurmasheva und Evan Gershkovich hatte Anfang August ebenfalls für großes Aufsehen gesorgt: Die amerikanisch-russische Journalistin Kurmasheva und der US-amerikanische Journalist Gershkovich waren im Rahmen eines groß angelegten Gefangenenaustauschs mit Russland aus der Haft entlassen worden.
Gershkovich wurde im März 2023 von russischen Sicherheitsbehörden festgenommen, die ihm Spionage vorgeworfen hatten. Der Korrespondent des Wall Street Journal war im Anschluss in Russland zu 16 Jahren Haft verurteilt worden.
Kurmasheva arbeitet für den US-Auslandssender Radio Free Europe/Radio Liberty und war in Russland zu sechseinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden, weil sie angeblich Falschmeldungen über die Armee verbreitet hatte.
In Burundi wurde im August die Radiomoderatorin Floriane Irangabiye begnadigt und freigelassen. Sie war im Januar 2023 wegen angeblicher Gefährdung der inneren Sicherheit zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt worden. Laut RSF bezog sich das Urteil auf unklare Vorwürfe zu von ihr aus Ruanda gesendeten Beiträgen, in denen sie kritisch über die Behörden in Burundi berichtet hatte.
Berufung in Guatemala
Im Oktober wurden schließlich José Rubén Zamora in Guatemala und Ihsane el-Kadi in Algerien aus der Haft entlassen.
Jose Rubén Zamora ist Gründer und Herausgeber der Zeitung elPeriódico, die laut RSF zwei Jahrzehnte lang politische Korruption in Guatemala aufgedeckt hat – bevor sie im Mai 2023 schließen musste. Im Juli 2022 wurde er wegen eines fingierten Geldwäschevorwurfs festgenommen und nach fast einem Jahr Untersuchungshaft zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt.
Im Oktober wurde er vorläufig in den Hausarrest entlassen. Nur einen knappen Monat später wurde diese Entscheidung widerrufen – was selbst der guatemaltekische Präsident Bernardo Arévalo kritisiert hatte. Aktuell wird die Berufung von Zamora vom Obersten Gerichtshof Guatemalas geprüft.
Ihsane el-Kadi kam durch einen Erlass des algerischen Präsidenten frei. Dem Leiter von Radio M und der Nachrichtenseite Maghreb Émergent wurde vorgeworfen, Organisationen zu unterstützen, die den Staat und die Sicherheit Algeriens bedrohen. Er wurde jedoch zu einer hohen Geldstrafe verurteilt und sein Vermögen wurde konfisziert. Laut RSF musste der Sender Radio M im Juni 2024 den Betrieb einstellen.
Viele Medienschaffende in Haft
Zahlen von RSF zufolge saßen im Jahr 2024 weltweit mindestens 550 Journalistinnen und Journalisten wegen ihrer Arbeit im Gefängnis – das sei ein Anstieg von sieben Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die meisten von ihnen waren in China einschließlich Hongkong (124) inhaftiert.
Darunter auch die Bürgerjournalistin Zhang Zhan, die durch ihre Berichterstattung aus der chinesischen Stadt Wuhan während der Corona-Pandemie bekannt wurde. Im Mai 2020 wurde sie festgenommen und später im Jahr zu vier Jahren Haft verurteilt. Im Mai 2024 war auch sie freigekommen – doch bereits im August wurde sie erneut festgenommen. Nach Angaben von Amnesty International wurde sie im November formal angeklagt, “Streit angefangen und Ärger provoziert zu haben”. Dieser Vorwurf wird in China laut RSF häufig erhoben, um Kritiker festzunehmen. Zhang Zhan drohen nun bis zu fünf Jahre Haft.
Die Organisation rechnet auch im Jahr 2025 mit immensen Herausforderungen für die Pressefreiheit. Die Fälle zeigten jedoch, dass sich der Einsatz für die Pressefreiheit lohnt. (js)