Russland: Soziale Netzwerke müssen Niederlassungen eröffnen

Roskomnadzor
Sind Vertreter der Firmen vor Ort, kann Russland diese stellvertretend zur Rechenschaft ziehen. (Quelle: IMAGO / ITAR-TASS)

Bis 2022 müssen bestimmte ausländische IT-Unternehmen in Russland eine Vertretung eröffnen, wenn sie in dem Land weiterhin aktiv sein möchten. Ansonsten drohen Einschränkungen oder Verbote. Das teilte die staatliche Medienaufsichtsbehörde Roskomnadzor am Montag mit.

Aufgefordert sind hauptsächlich Firmen aus den USA wie Google, Meta (ehemals Facebook), Apple und Twitter. Außerdem auf der Liste: Twitch, TikTok, Telegram, Zoom, Likee, Viber, Discord, Pinterest und Spotify. Laut der Nachrichtenagentur Reuters liefert die Behörde kaum Details, was genau von den Unternehmen erwartet wird. “Es gibt keine Erklärung im Gesetz, keine Klarstellung, wie die Rechtsform der Vertretung der Organisation aussehen soll”, erklärte Karen Kazaryan, Leiterin des Internet Research Institute, der Nachrichtenagentur.

Zudem stünden auf der Liste auch Dienstleister, die bereits einen Sitz in Russland haben. Sollten sich die anderen Unternehmen weigern, bis zum Jahreswechsel eine Vertretung einzurichten, droht Roskomnadzor mit “Zwangsmaßnahmen” wie dem Verbot von Werbung, Geldtransfers oder dem Sammeln von Daten in Russland.

Russland sucht Kontrolle

Die betroffenen Unternehmen haben sich bislang nicht zu den Androhungen geäußert.

Seit dem 1. Juli ist in Russland das Bundesgesetz Nr. 236-FZ in Kraft, das ausländischen Internetkonzernen mit mehr als 500.000 täglichen Nutzern in Russland die Eröffnung einer Niederlassung vorschreibt. Des Weiteren sind die Unternehmen dazu verpflichtet, sich bei der Medienaufsicht zu registrieren und Feedback-Formulare für russische Nutzer bereitzustellen.

Durch die Maßnahmen sollen die Firmen daran gehindert werden, sich behördlichen Aufforderungen zu entziehen – wie etwa der Herausgabe von Nutzerdaten. Bei einem Verstoß oder im Streitfall könnte die Justiz die Mitarbeiter vor Ort belangen.

So berichtete Mitte September die Financial Times über bewaffnete Beamte, die sich mehrere Stunden lang in Googles Büros in Moskau aufhielten. Zuvor waren Google und Apple einer behördlichen Aufforderung nicht nachgekommen, eine Wahl-App von Oppositionellen aus ihren Appstores zu entfernen. Google-Mitarbeiter hätten Strafandrohungen erhalten.

Zensurmaßnahmen

Die sozialen Netzwerke waren in diesem Jahr wiederholt ins Visier der staatlichen Aufsichtsbehörden geraten, unter anderem im Zusammenhang mit Löschaufforderungen zu Protestaufrufen. Mitte Mai hatte ein Moskauer Gericht beispielsweise Geldstrafen gegen Plattformen wie Twitter, Google und TikTok verhängt. Die russische Justiz warf den sozialen Netzwerken vor, verbotene Beiträge nicht gelöscht zu haben.

Anhänger des Oppositionspolitikers Alexej Nawalny hatten die Plattformen genutzt, um sich über geplante Proteste auszutauschen. Die Justiz beanstandete unter anderem an Minderjährige gerichtete Aufrufe zur Teilnahme an Kundgebungen für den inhaftierten Kremlgegner. Die Unterstützer Nawalnys sehen darin einen Vorwand, generell gegen die Proteste und ihre Organisatoren vorzugehen. Die Strafen und Verbote seien Versuche, das Recht auf Meinungsfreiheit in sozialen Netzwerken einzuschränken.

Anfang November waren Google und Telegram erneut zu Geldstrafen verurteilt worden – dieses Mal, weil die Unternehmen ihre Daten nicht in Russland speicherten. Ein seit 2015 bestehendes Gesetz verpflichtet Internetunternehmen dazu, Daten russischer Nutzer auf Servern im Land zu speichern und die Medienaufsicht muss über den Standort informiert sein.

Die zwischen Jahresbeginn und Anfang November verhängten Strafen gegen verschiedene Internetunternehmen belaufen sich offiziellen Angaben zufolge insgesamt auf umgerechnet mehr als 2,2 Millionen Euro. Unter Berufung auf eine Gerichtssprecherin berichteten russische Medien im September, ein Großteil der Unternehmen habe diese bislang nicht gezahlt.

In Russland sind bereits Hunderte Internetseiten gesperrt, darunter auch Seiten von Regierungsgegnern. (hcz)