Spanischer Geheimdienst hat katalanische Separatisten überwacht
Der spanische Geheimdienst CNI hat eingeräumt, die Smartphones von 18 katalanischen Separatisten ausgespäht zu haben. Dafür habe es richterliche Genehmigungen gegeben. Die linke katalanische Partei ERC fordert eine Untersuchungskommission.
Geheimdienstchefin Paz Esteban habe die Überwachung in einer Ausschusssitzung eingeräumt, sagte Gabriel Rufián von der ERC Medienberichten zufolge. Zu den überwachten Personen zählt auch der amtierende Regionalpräsident von Katalonien, Pere Aragonès.
Wie die spanische Zeitung El País am Donnerstag berichtete, legte die Geheimdienstchefin in der Sitzung richterliche Genehmigungen vor. Keine Angaben machte sie dazu, ob die Betroffenen mit der Überwachungssoftware Pegasus ausspioniert wurden – ob der Geheimdienst über diese verfügt, sei eine vertrauliche Information. El País hatte allerdings bereits im Jahr 2020 berichtet, der CNI sei im Besitz des Spionageprogramms des israelischen Entwicklers NSO.
Was ist Pegasus?
Pegasus ist eine Spionagesoftware der israelischen Firma NSO Group. Die Spähsoftware kann ein infiltriertes Gerät komplett übernehmen und beispielsweise die Kamera und das Mikrofon unbemerkt anschalten – oder sämtliche Daten kopieren. Auch Standortdaten lassen sich abrufen und Passwörter auslesen. Das Überwachungsprogramm steht seit Jahren im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen in der Kritik.
Sicherheitsforscher vom Citizen Lab an der Universität Toronto hatten im April aufgedeckt, dass Smartphones von mindestens 63 katalanischen Separatisten zwischen 2017 und 2020 mit Pegasus angegriffen wurden. Außer Aragonès wurden weitere katalanische Regionalpräsidenten, Abgeordnete des Europäischen Parlaments und Mitglieder zivilgesellschaftlicher Organisationen überwacht.
Für die weiteren Spionageziele habe der Geheimdienst keine Verantwortung übernommen. Rufián schrieb auf Twitter, es gebe nur zwei Möglichkeiten: “Entweder war es ein anderes Land oder eine andere Behörde” – dies sei jedoch seine Interpretation.
Unabhängige Aufklärung gefordert
Kataloniens Regionalpräsident Aragonès sagte, die Enthüllungen bestätigten “die Schwere des Falles von massiver Spionage gegen katalanische Institutionen und die Unabhängigkeitsbewegung”. Er forderte die sofortige Freigabe der Überwachungsgenehmigungen. “Es ist dringend notwendig, dass wir eine öffentliche Erklärung zu dieser Angelegenheit erhalten – wir müssen wissen, wer dies genehmigt hat und wer davon wusste. Und deshalb verlangen wir eine Antwort von höchster Ebene.” Seine Partei fordert eine parlamentarische Untersuchung.
Am Dienstag hatten allerdings bereits mehrere Parteien im spanischen Parlament gegen die Einrichtung einer Untersuchungskommission gestimmt. Ein Sprecher der sozialdemokratischen PSOE-Partei von Ministerpräsident Sánchez hatte dies damit begründet, dass es bereits eine interne Untersuchung des Geheimdienstes gebe. Der Ombudsmann, der die staatliche Verwaltung überwacht, will die Bespitzelung der katalanischen Separatisten ebenfalls untersuchen.
Amnesty International forderte die Regierung am Mittwoch zu mehr Transparenz auf. Der Geheimdienstausschuss sei nicht der richtige Ort, um mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen, kritisierte Esteban Beltrán, Direktor von Amnesty Spanien.
200 spanische Telefonnummern auf Ausspähliste
Im Juli 2021 hatten die Organisationen Forbidden Stories und Amnesty International sowie mehrere internationale Medien aufgedeckt, wie mit Pegasus weltweit Medienschaffende, Menschenrechtler, Oppositionelle und Politiker überwacht wurden. Sie hatten einen Datensatz mit mehr als 50.000 Telefonnummern ausgewertet, die offenbar von Pegasus-Nutzern als potenzielle Ausspähziele ausgewählt wurden. Darunter sollen auch mehr als 200 spanische Telefonnummern gewesen sein.
Anfang der Woche hatte die spanische Regierung mitgeteilt, dass die Mobiltelefone von Ministerpräsident Pedro Sánchez und Verteidigungsministerin Margarita Robles mit Pegasus ausgespäht wurden. Angaben zum Ursprung der Angriffe machte die Regierung nicht. Auch auf dem Telefon von Innenminister Fernando Grande-Marlaska sollen Spuren von Pegasus gefunden worden sein.
Untersuchung auf europäischer Ebene
Inzwischen befasst sich ein Untersuchungsausschuss des Europäischen Parlaments mit dem illegalen Einsatz von Spionagesoftware innerhalb der EU. Er soll prüfen, ob Pegasus oder andere Überwachungssoftware gegen Journalisten und Politiker eingesetzt wurde. Hintergrund sind Enthüllungen, dass Pegasus in Ungarn gegen Journalisten und in Polen gegen Oppositionelle eingesetzt wurde.
Amnesty International und weitere Organisationen wie Human Rights Watch und Reporter ohne Grenzen fordern ein sofortiges Moratorium für den Verkauf, die Weitergabe und den Einsatz von Überwachungstechnologien. Auch Menschenrechtsexpertinnen und –experten der Vereinten Nationen fordern ein solches Moratorium. Sie erklärten, durch Spionagesoftware würden die Rechte auf freie Meinungsäußerung und Privatsphäre verletzt – und die Technik sei “lebensbedrohlich”. (js)