Tag des Amazonas: WWF warnt vor Regenwald-Zerstörung

Amazonas
Sollte künftig ein Viertel des Amazonas-Regenwaldes zerstört sein, werden unumkehrbare Kippeffekte eintreten. (Quelle: Luis Barreto / WWF UK)

Die Umweltschutzorganisation WWF Deutschland hat angesichts der zunehmenden Waldvernichtung im brasilianischen Amazonasgebiet vor schweren Folgen für die indigenen Völker und das Weltklima gewarnt. “Mit den Bäumen des Amazonas schwindet auch die Lebensgrundlage der Indigenen”, sagte WWF-Südamerikareferent Roberto Maldonado. An diesem Montag ist der Tag des Amazonas, mit dem Brasilien an die Gründung des Bundesstaates Amazonas durch den brasilianischen Kaiser Dom Pedro II. im Jahr 1850 erinnert.

Im brasilianischen Amazonasgebiet wüten aktuell die schwersten Brände seit fast fünf Jahren. Im August wurden mithilfe von Satellitendaten des Instituts für Weltraumforschung (INPE) 33.116 Feuer in der Region registriert. Zwischen Januar und August dieses Jahres seien 5.463 Quadratkilometer Wald zerstört worden.

Mehr Brände in einem Monat hatte es zuletzt im September 2017 gegeben. Im Beobachtungszeitraum August waren es sogar die schwersten Brände seit dem Jahr 2010.

An die 20 Prozent des ursprünglichen Amazonas-Regenwaldes sind heute bereits zerstört. “Verlieren wir den Amazonas, verlieren wir einen der größten Kohlenstoffspeicher dieses Planeten”, warnte Maldonado. Einen Monat vor der Präsidentschaftswahl in Brasilien stehe der Amazonas “näher am Kollaps als je zuvor”.

Kollaps droht

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler rechnen damit, dass ein Kipppunkt überschritten wird, wenn mehr als 25 Prozent des Amazonas-Regenwaldes vernichtet sind, so der WWF. Der Wald könnte sich dann auf einer Fläche so groß wie Frankreich, Spanien, Schweden, Deutschland und Finnland zusammen in eine Steppe verwandeln. Das hätte Auswirkungen auf den gesamten Planeten – “in ungeahntem Ausmaß”.

Zwischen Juni und Oktober ist in Brasilien Waldbrandsaison. Die meisten Brände werden von Menschen gelegt. Üblicherweise werden zunächst die Bäume gefällt und die abgeholzten Flächen dann in Brand gesteckt. Die verwüsteten Flächen nutzen Landwirte für neue Weideflächen und Ackerland. Die “naturfeindliche Politik von Präsident Bolsonaro” treibt diese Zerstörung an, so die Umweltschutzorganisation.

Der Rechtsextremist Jair Bolsonaro hat seit seinem Amtsantritt Anfang 2019 Kontrollmechanismen stetig abgebaut und Umweltschutzbehörden Personal und Finanzierung entzogen. Ein im Januar veröffentlichter Greenpeace-Bericht zog eine verheerende Bilanz seiner Amtszeit: “In nur drei Jahren hat seine [Bolsonaros] Agenda zu einer dramatischen Verschlechterung der Natur, der Gemeinschaften und der biologischen Vielfalt geführt.”

Die Abholzung sei seit seinem Amtsantritt um fast 76 Prozent gestiegen, Brasilien stößt knapp 10 Prozent mehr Treibhausgase aus, 1500 neue Pestizide wurden zugelassen und es gab fast 40 Prozent mehr Landkonflikte. Diese Zunahmen seien zu einem großen Teil auf den systematischen Abbau von Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen zurückzuführen, so Greenpeace.

Der WWF fordert angesichts der bedrohlichen Lage im Amazonas-Gebiet die EU und Deutschland dazu auf, ein wirkungsvolles Gesetz zum Stopp globaler Entwaldung zu verabschieden. Es müsse zukünftig verhindert werden, dass der Konsum in Europa die Umweltzerstörung in Südamerika fördert. Intakte Natur werde aktuell in Ackerflächen umgewandelt für EU-Importprodukte.

Greenpeace ruft die Europäische Union dazu auf, wirtschaftlichen Druck auf die brasilianische Politik auszuüben: Das geplante Handelsabkommen EU-Mercosur müsse in der jetzigen Form verhindert werden. In Neuverhandlungen müsse das Abkommen menschenrechtskonform und nachhaltig ausgestaltet werden.

Schutzschild Indigene

Indigene Völker gelten als die besten “Hüter des Waldes” im Kampf gegen Umweltschäden und Klimawandel. Nur 1,6 Prozent der Entwaldung zwischen 1985 und 2020 entfielen laut WWF auf indigenes Land.

Doch sind die Angehörigen der indigenen Völker unter Präsident Bolsonaro oft selbst in Gefahr und werden Opfer von Bedrohung, Vertreibung oder Mord: 2020 starben in Brasilien 18 Menschen im Rahmen von Landkonflikten – 42 Prozent waren Angehörige indigener Völker, obwohl sie nur 0,4 Prozent der brasilianischen Bevölkerung ausmachen. Von 35 Mordversuchen im Jahr 2020 wurden 12 an Indigenen begangen. Greenpeace kritisierte im Januar, Beschwerden indigener Gruppen würden von den Behörden systematisch ignoriert und deren Rechte untergraben.

Zivilgesellschaftliche Organisationen (NGOs), die sich für die Rechte der indigenen Bevölkerung einsetzen, werden ebenfalls bedroht und politisch geschwächt. Der Präsident bezeichnete sie im September 2020 als “Krebsgeschwür”.

Hoffnungsschimmer Wahl

Der Schutz der Natur und speziell des Regenwaldes könnte auch bei der Präsidentenwahl in Brasilien Anfang Oktober eine Rolle spielen. Der rechte Amtsinhaber Jair Bolsonaro sieht das Amazonasgebiet vor allem als wirtschaftliches Potenzial. Sein Gegenkandidat, Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, hat hingegen versprochen, den Umwelt- und Klimaschutz künftig zu stärken.

WWF-Referent Maldonado sagte: “Bei der Wahl am 2. Oktober entscheiden Brasilianer:innen nicht nur über einen neuen Präsidenten, sondern auch über die Zukunft des Amazonas-Regenwaldes und des Weltklimas. Verlieren wir den Amazonas, verlieren wir einen der größten Kohlenstoffspeicher dieses Planeten.” Der Klimakatastrophe könnten wir dann nur noch zugucken. In den Umfragen liegt Lula derzeit deutlich vorn. (hcz)