Taliban nehmen Radiojournalisten fest

Taliban-Kämpfer in und auf einem Truck
Die Machthaber haben auch zwei private TV-Sender geschlossen. (Quelle: IMAGO / SNA)

Die Taliban haben am Montag drei Radiojournalisten festgenommen. Das berichten mehrere Organisationen, die sich für die Pressefreiheit einsetzen. Bereits Anfang des Monats wurde demnach ein weiterer Journalist aufgrund seiner Berichterstattung verhaftet.

Den Berichten zufolge wurden die Radioreporter Ismail Sadat, Wahidullah Masoum und Ehsanullah Tasal vom “Ministerium für Tugend und gegen Laster” vorgeladen und am Montagmorgen verhaftet. Seitdem befinden sie sich im Hauptquartier der lokalen Polizei in der Provinz Chost im Osten des Landes.

Die Journalisten arbeiten für drei verschiedene Radiosender. Ihnen wird vorgeworfen, in ihren Radioprogrammen Musik gespielt zu haben. Außerdem hätten sie Zuhörerinnen erlaubt, während Sendungen anzurufen und die Gespräche gesendet.

Musikverbot

Die Taliban hatten Musik nach ihrer Machtübernahme im August 2021 verboten. Wiederholt sind Fälle bekannt geworden, in denen Menschen festgenommen wurden, weil sie Musik gespielt hatten – auch Musikinstrumente haben die Taliban verbrannt.

Dem Afghanistan Journalists Center (AFJC) zufolge wurde im Februar 2024 in der Provinz Chost zudem verboten, dass Frauen und Mädchen in Radio- und Fernsehsendungen anrufen dürfen. Die Organisation berichtet, Zuhörerinnen riefen teils bei den Sendern an, um Fragen in Bildungsprogrammen zu stellen. Die Verbreitung solcher Sendungen habe zugenommen, seit die Taliban Frauen und Mädchen jegliche Bildung über die Grundschule hinaus verboten haben.

Der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch zufolge war Afghanistan im Jahr 2023 das einzige Land, in dem Frauen und Mädchen offiziell von der Sekundar- und Hochschulbildung ausgeschlossen sind.

Carlos Martinez de la Serna vom Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) kommentierte: ""Die Inhaftierung der afghanischen Journalisten Ismail Sadat, Wahidullah Masoum und Ehsanullah Tasal ist nur das jüngste Beispiel für die rücksichtslose Unterdrückung der Presse durch die Taliban, seit sie 2021 an die Macht zurückgekehrt sind." Er forderte die bedingungslose Freilassung aller inhaftieren Journalisten in Afghanistan. Die Taliban müssten zudem restriktive Vorschriften aufheben.

Eingeschränkte Pressefreiheit

Wie Reporter ohne Grenzen (RSF) berichtet, hat der Taliban-Geheimdienst bereits Anfang April einen weiteren Journalisten verhaftet. Er arbeitet für Radio Azadi, den afghanischen Ableger von Radio Free Europe/Radio Liberty.

Grund für die Festnahme soll die Berichterstattung des Journalisten gewesen sein, schreibt RSF ohne weitere Details zu nennen. Sein Telefon sei beschlagnahmt und durchsucht worden – aktuell befinde sich der Reporter im Gefängnis in der Provinz Ghazni und erwartet dort seinen Prozess.

Seit der Machtübernahme haben die Taliban die Arbeit der Presse im Land massiv eingeschränkt. Auf der Rangliste der Pressefreiheit 2023 von RSF belegt das Land Rang 152 von 180 Staaten.

In ihrem am Mittwoch veröffentlichten Jahresbericht schreibt die Menschenrechtsorganisation Amnesty International, in Afghanistan seien zwischen August 2021 und August 2023 mindestens 64 Medienschaffende für unterschiedlich lange Zeiträume inhaftiert worden.

Im selben Zeitraum mussten demnach 80 Prozent der Journalistinnen im Land ihre Arbeit wegen zunehmender Einschränkungen für Frauen aufgeben. Mehr als die Hälfte der registrierten Medienkanäle habe den Betrieb eingestellt.

TV-Sender geschlossen

Erst in der vergangenen Woche hatten die Taliban laut RSF zwei private Fernsehsender, Noor TV und Barya TV, geschlossen, weil diese angeblich “nationale und islamische Werte” missachtet hätten. Sicherheitskräfte hatten Berichten zufolge das Büro von Noor TV in Kabul gestürmt und den Strom abgestellt.

Dem im Jahr 2007 vom früheren afghanischen Präsidenten Burhanuddin Rabbani gegründeten Sender wird ebenfalls vorgeworfen, Musik gesendet zu haben. Außerdem sollen Frauen dort auf Sendung gegangen sein, ohne ihr Gesicht zu verhüllen – auch das haben die Taliban verboten.

Der im Jahr 2019 gegründete Sender Barya TV soll wegen Meinungsäußerungen seines Besitzers, dem ehemaligen Mudschahidin-Führer und Ex-Präsidenten Gulbeddin Hekmatjar, abgeschaltet worden sein.

Célia Mercier von RSF kommentierte: “Die Behörden nehmen unerbittlich Journalisten ins Visier – insbesondere Reporter ausländischer Medien, die beschuldigt werden, die Taliban-Regierung zu verunglimpfen – und setzen sie willkürlichen Verhaftungen und jeder Art von Einschränkung aus. Gleichzeitig wird mit der Zensur privater Fernsehsender versucht, jede Berichterstattung zu unterbinden, die nicht unter der Kontrolle der Regierung steht. RSF fordert die sofortige Freilassung der vier inhaftierten Radiojournalisten und fordert die Behörden auf, die Suspendierung der Sender Noor TV und Barya TV aufzuheben.”

Erst kürzlich hatten die Taliban zudem angekündigt, den Zugang zu Facebook einschränken oder vollständig blockieren zu wollen. Laut dem CPJ ist Facebook eine der beliebtesten Plattformen in Afghanistan und wird von vielen Medien verwendet, um Informationen zu verbreiten. (js)