Spanien nimmt Ermittlungen zu Pegasus-Überwachung wieder auf
Der Oberste Gerichtshof Spaniens hat am Dienstag entschieden, dass die Untersuchung von Spähsoftware-Angriffen auf Politiker wieder aufgenommen wird. Unter den Zielpersonen soll sich auch Ministerpräsident Pedro Sánchez befinden.
Die spanische Regierung hatte vor zwei Jahren öffentlich gemacht, dass Sánchez mit der Spionagesoftware Pegasus überwacht wurde. Auch Verteidigungsministerin Margarita Robles, Innenminister Fernando Grande-Marlaska und Landwirtschaftsminister Luis Planas sollen ausgespäht worden sein.
Die spanische Regierung hatte damals keine Angaben dazu gemacht, wer hinter der Ausforschung des Regierungschefs und der Ministerin und Minister steckt oder vermutet wird. Medien hatten allerdings berichtet, das Königreich Marokko könnte für die Angriffe verantwortlich sein.
Spaniens Oberster Gerichtshof hatte begonnen, die Vorfälle zu untersuchen – seine Ermittlungen im Sommer 2023 jedoch vorerst eingestellt. Der Gerichtshof hatte damals eine komplett ausgebliebene juristische Kooperation seitens Israels beklagt. Dortige Behörden hätten mehrere gestellte Hilfeersuchen nicht beantwortet. Pegasus wird von dem israelischen Unternehmen NSO Group entwickelt und verkauft. Das Unternehmen verkauft die Software eigenen Angaben zufolge nur an staatliche Stellen; Exporte unterliegen einer Genehmigungspflicht.
Zusammenarbeit mit Frankreich
Wie spanische Medien berichten, hat Richter Jose Luis Calama nun entschieden, die Ermittlungen wieder aufzunehmen. Hintergrund ist demnach eine Anfrage französischer Behörden, die ebenfalls mögliche Spähsoftware-Angriffe auf Spitzenpolitiker, aber auch auf Medienschaffende, Anwälte und andere Personen des öffentlichen Lebens untersuchen. Internationale Medien hatten diesen Missbrauch im Jahr 2021 gemeinsam mit den Organisationen Forbidden Stories und Amnesty International aufgedeckt.
Was ist Pegasus?
Pegasus ist eine Spionagesoftware der israelischen Firma NSO Group. Die Spähsoftware kann ein infiltriertes Gerät komplett übernehmen und beispielsweise die Kamera und das Mikrofon unbemerkt anschalten – oder sämtliche Daten kopieren. Auch Standortdaten lassen sich abrufen und Passwörter auslesen. Das Überwachungsprogramm steht seit Jahren im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen in der Kritik.
Die französischen Behörden wollen nun versuchen herauszufinden, wer hinter diesen Angriffen steckt – und dabei mit Spanien zusammenarbeiten. Berichten zufolge wurde eine Liste von auf Geräten gefundenen Infektionsspuren an die spanischen Behörden übermittelt, die dortige Experten nun mit den eigenen gefunden Spuren vergleichen sollen. Zu diesem Zweck soll in Spanien unter anderem ein Sachverständigengutachten angefertigt werden.
Die spanische Verteidigungsministerin Robles bezeichnete die Wiederaufnahme der Untersuchung als “gute Nachricht”.
Der Einsatz von Pegasus gegen spanische Politikerinnen und Politiker war bei einer Untersuchung ihrer Smartphones im Jahr 2022 aufgefallen. Zuvor hatten Sicherheitsforscher Pegasus-Angriffe auf zahlreiche katalanische Politiker, Anwälte und Journalisten nachgewiesen.
Zumindest für einige dieser Fälle war der spanische Geheimdienst CNI verantwortlich – es sollen richterliche Genehmigungen vorgelegen haben. Kurz nach diesem Eingeständnis hatte die damalige Geheimdienstchefin Paz Esteban ihren Posten räumen müssen.
Untersuchung in Polen
Spionagefälle mit Pegasus sind auch aus anderen europäischen Ländern bekannt geworden – teils soll die jeweilige Regierung selbst verantwortlich sein. In Polen etwa soll die ehemalige PiS-Regierung Oppositionelle ausspioniert haben. Dort läuft derzeit eine parlamentarische Untersuchung – nahezu 600 Menschen sollen zwischen 2017 und 2022 überwacht worden sein.
Justizminister Adam Bodnar bestätigte diese Zahl am Mittwoch auch im Parlament. “Es ist traurig für mich, dass ich in diesem Raum auch zu Menschen spreche, die Opfer dieses Systems waren”, sagte er vor dem Unterhaus (Sejm).
Wer genau überwacht wurde, sagte Bodnar nicht. Bekannt ist bisher unter anderem, dass das Smartphone des damaligen Oppositionspolitikers und heutigen Europaabgeordneten Krzysztof Brejza im Wahljahr 2019 mehrfach mit Pegasus infiltriert wurde.
Die polnische Nachrichtenseite Onet berichtete in der vergangenen Woche außerdem, zwei Militärpolizistinnen sollen ebenfalls mit Pegasus überwacht worden sein, nachdem sie sexuelle Belästigungen durch Vorgesetzte angezeigt hatten. Dabei sei auch die Kommunikation zwischen den Betroffenen und ihren Anwälten mitgelesen worden.
International kritisieren Menschenrechtsexperten den Einsatz von Spähsoftware bereits seit langem. Die Organisation Amnesty International hat in ihrem am Mittwoch erschienen Jahresbericht erneut ein unverzügliches Verbot von “hochinvasiver Spionagesoftware” wie Pegasus gefordert. (js)