Keine Trendwende beim Treibhausgasausstoß in Sicht
Elf Jahre könnte die Welt noch leben wie bisher, dann wäre das gesamte Budget an Kohlendioxidemissionen aufgebraucht – wenn die Erwärmung auf 1,5 Grad begrenzt werden soll. Der aktuelle Trend bei den Treibhausgasemissionen ist alarmierend.
Denn der globale Ausstoß von Kohlendioxid aus der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas dürfte nach dem Rückgang 2020 durch die Corona-Pandemie im Jahr 2021 wieder annähernd das Vor-Krisen-Niveau erreichen. Wenn sich die derzeitige Entwicklung fortsetzt und auch Straßen- und Flugverkehr zum alten Niveau zurückkehren, könnte ungeachtet aller Klimaschutzversprechen im Jahr 2022 sogar ein neuer Höchstwert erreicht werden. Das geht aus einer neuen Analyse des Forschungsverbundes “Global Carbon Project” unter Leitung der Universitäten von Exeter in Großbritannien und Stanford in den USA hervor. Der Bericht wurde am Donnerstag auf dem UNO-Klimagipfel in Glasgow vorgestellt.
Bei den Angaben für das aktuelle Jahr handelt es sich um vorläufige Schätzungen auf Grundlage der aktuellen Datenbasis bis Oktober. Demnach müsste der gesamte CO2-Ausstoß jedes Jahr um 1,4 Milliarden Tonnen sinken, um das Ziel von netto-null-Kohlendioxidemissionen bis 2050 zu erreichen. Im Corona-Jahr waren es minus 1,9 Milliarden Tonnen. Von der Erreichung des Ziels sei die Welt nun aber weit entfernt.
Vor-Pandemie-Niveau fast erreicht
Um eine 50-prozentige Chance zu haben, den Anstieg der globalen Mitteltemperatur wie angestrebt auf 1,5 Grad über vorindustriellem Niveau zu begrenzen, dürfen insgesamt künftig nur noch 420 Milliarden Tonnen CO2 ausgestoßen werden. Dieses Budget wäre bei einem Ausstoß wie 2021 in etwa elf Jahren aufgebraucht.
Die fossilen CO2-Emissionen dürften in diesem Jahr nach den Berechnungen bei 36,4 Milliarden Tonnen liegen. Das sind etwa 4,9 Prozent mehr als 2020 und fast so viel wie im Vor-Pandemie-Jahr 2019 (36,7 Milliarden Tonnen nach aktuellsten Zahlen). 2020 sei der Umfang durch den vorübergehenden Rückgang von Industrie, Flug- und anderem Verkehr um rund 5,4 Prozent gesunken. Dazu gibt es verschiedene Schätzungen. Die Weltwetterorganisation WMO spricht von 5,6 Prozent Rückgang.
Bei der CO2-Konzentration in der Atmosphäre meldete die Weltwetterorganisation bereits vergangene Woche für das Jahr 2020 einen neuen Rekordwert.
Einige Staaten verringern Ausstoß
CO2-Emissionen stammen außer aus fossilen Brennstoffen wie Kohle, Öl und Gas etwa auch aus der Waldvernichtung. Netto trägt diese aber nur zu rund einem Zehntel zu den globalen Emissionen bei. Gleichzeitig nehmen Wälder auch viel CO2 auf.
Getrieben wurde der Emissionsanstieg in diesem Jahr laut Bericht vor allem durch die wachsende Kohlenutzung in China. Auch in anderen Ländern, darunter Indien, werde der wachsende Energiebedarf weiter durch fossile Energie gedeckt. Dagegen setze sich der mehrjährige Trend mit sinkendem CO2-Ausstoß in den USA und der EU fort. Der Ausbau erneuerbarer Energien sei 2020 ungebrochen gewesen.
Die Entwicklung bei den vier größten Treibhausgasverursachern im Vergleich zu 2019: Berechnet nach den vorläufigen Daten bis Ende Oktober, steigen die fossilen Emissionen in China und Indien in diesem Jahr. In China dürften es plus 5,5 Prozent gegenüber 2019 sein. In Indien, dem viertgrößten Verursacher, plus 4,4 Prozent. In den USA wird ein Minus von 3,7 Prozent gegenüber 2019 erwartet, in der EU minus 4,2 Prozent. In Deutschland lagen die Emissionen 2020 nach diesem Bericht 9,7 Prozent unter denen von 2019. Eine einzelne Prognose für den deutschen Anstieg 2021 gibt es nicht.
Bei den Zahlen gilt es allerdings zu beachten, dass beispielsweise die bei der Produktion von Waren entstehenden CO2-Emissionen auf das Herstellerland und nicht auf das Empfängerland angerechnet werden. Ein nicht unerheblicher Teil des Ausstoßes Chinas und Indiens geht somit auf den Konsum anderer Länder wie den USA und Deutschland zurück. Rechnet man die Treibhausgasemissionen pro Einwohner, stößt Deutschland deutlich mehr CO2 aus als China – und fast doppelt so viel wie der globale Durchschnitt.
Die beteiligten Wissenschaftler bemühten sich indes, Hoffnung zu geben. “Seit der Verabschiedung des Pariser Abkommens im Jahr 2015 wurden große Fortschritte bei der Dekarbonisierung der globalen Energieversorgung erzielt, und erneuerbare Energien sind die einzige Energiequelle, die während der Pandemie weiter gewachsen ist”, erklärte Mitautorin und Klimawissenschaftlerin Corinne Le Quéré von der University of East Anglia, “Neue Investitionen und eine starke Klimapolitik müssen nun die grüne Wirtschaft viel systematischer unterstützen und fossile Brennstoffe aus der Gleichung verdrängen.” Man müsse der Versuchung widerstehen, sich entmutigen zu lassen, und die Dinge eins nach dem anderen angehen. (dpa / hcz)