Weltweit 22 Zeitungen in den vergangen Jahren zur Schließung gezwungen

Letzte Ausgabe von Apple Daily in Hongkong
Repressive Regierungen weltweit üben Druck auf freie Medien aus, indem sie Vermögenswerte einfrieren oder Lizenzen entziehen. (Quelle: IMAGO / ZUMA Wire)

Weltweit mussten mindestens 22 regierungskritische Medien in den vergangenen fünf Jahren ihren Betrieb einstellen. Das berichtet die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF). Sie wurden mit wirtschaftlichem Druck oder juristischen Schikanen zum Aufgeben gezwungen.

Das jüngste Beispiel: Die prodemokratische Zeitung Apple Daily aus Hongkong. Ihre letzte Ausgabe war vergangene Woche erschienen. Der vor 26 Jahren gegründeten Tageszeitung mit einer Auflage von rund 80.000 Exemplaren wurden angebliche Verstöße gegen das umstrittene Hongkonger Sicherheitsgesetz vorgeworfen. Daraufhin hatte die Polizei am 17. Juni den Hauptsitz der Zeitung durchsucht und fünf Führungskräfte festgenommen. Außerdem wurden Vermögenswerte der Zeitung eingefroren. Die Mutterfirma der Zeitung, Next Digital, konnte deswegen keine Gehälter mehr zahlen und musste den Betrieb einstellen.

Ein ähnliches Schicksal ereilte Akhbar Al Youm, die letzte unabhängige arabischsprachige Tageszeitung Marokkos. Das regierungskritische Medium wurde im Jahr 2009 von Taoufik Bouachrine gegründet. RSF berichtet, die Zeitung sei von jeglicher staatlicher Werbung ausgeschlossen worden, nachdem der Gründer im Jahr 2018 festgenommen worden war. Sie erhielt auch keine staatlichen Hilfen während der Corona-Pandemie – und stellte schließlich im März 2021 den Betrieb ein.

Im September 2017 hatte die englischsprachige Zeitung Cambodia Daily in Kambodscha unter finanziellem Druck aufgeben müssen. Die Regierung hatte eine Steuernachzahlung in Höhe von umgerechnet etwa 5,3 Millionen Euro eingefordert – und dafür eine Frist von etwa einem Monat gesetzt. Anträge der Zeitung auf eine ordentliche Steuerprüfung hatte die Regierung ignoriert. Laut RSF hatte Cambodia Daily 24 Jahre lang unabhängig berichtet.

Gesetze gegen freie Medien

Reporter ohne Grenzen kritisiert auch das juristische Vorgehen gegen Zeitungen in einigen Ländern. Regierungen würden willkürliche und vage formulierte Gesetze einsetzen, um kritische Medien auszuschalten.

So gelten Journalistinnen und Journalisten, die Geld aus dem Ausland erhalten, in Russland als “ausländische Agenten”. Die Nachrichtenseite VTimes musste im Juni aufgeben, nachdem sie auf die Liste “ausländischer Agenten” gesetzt wurde – sie war erst im Jahr zuvor gegründet worden. Mitbegründer Aleksandr Gubski hatte der Organisation im Juni berichtet, die Internetseite sei auf die Liste gesetzt worden, weil ihr Administrator in den Niederlanden lebte. In der Folge hatte die Nachrichtenseite ihre Anzeigenkunden verloren sowie viele ihrer Nachrichtenquellen.

Nach dem Putschversuch 2016 wurden auch in der Türkei etliche Medien verboten, darunter die Tageszeitungen Zaman, Taraf und die pro-kurdische Zeitung Ozgür Gündem. Zudem seien Medienschaffende wegen angeblicher “Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation” angeklagt und inhaftiert worden. Aktuell werden mehreren Journalisten in der Türkei Straftaten nach dem Antiterrorgesetz vorgeworfen.

In Myanmar habe die Militärjunta nach dem Putsch im Februar die Lizenzen mehrerer Tageszeitungen aufgehoben, darunter 7 Day News und Eleven. Andere unabhängige Zeitungen wie die Standard Times wurden zensiert oder sahen sich mit Papierknappheit konfrontiert. Mittlerweile gebe es in Myanmar keine unabhängigen Zeitungen mehr zu kaufen.

Folgen für das Recht auf Informationen

RSF-Generalsekretär Christophe Deloire kritisierte, neben Gewalt gegen Journalistinnen und Journalisten sei in vielen Ländern auch das methodische Vorgehen gegen Zeitungen mittlerweile üblich. “Der Tod einer Zeitung in einem anderen Land löst weniger Emotionen aus als der Tod eines Menschen, sodass er von der internationalen Öffentlichkeit oft unbemerkt bleibt. Jemand, der nicht genau hinschaut, nimmt vielleicht an, dass die Zeitung das Opfer von Missmanagement oder abnehmendem öffentlichen Interesse war.” Zeitungen würden jedoch häufig vorsätzlich zum Aufgeben gebracht – für das Recht auf Informationen habe das schreckliche Folgen. Das Recht auf freien Zugang zu Informationen ist in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen festgelegt.

Reporter ohne Grenzen berichtet aber auch von Zeitungen, die online weitermachen: So musste beispielsweise El Nacional in Venezuela im Jahr 2015 nach 75 Jahren seine Printausgabe nach Druck der Regierung sowie Papiermangel einstellen. Online berichte die Redaktion jedoch weiterhin unabhängig und regierungskritisch. (js)