WMO: 1,5 Grad Erderwärmung schon 2026 möglich

Vertrocknet
“So lange wir Treibhausgase ausstoßen, werden die Temperaturen weiter steigen.” (Quelle: IMAGO / agefotostock)

Die globale Jahres-Durchschnittstemperatur könnte schon 2026 erstmals mehr als 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau liegen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die 1,5 Grad-Marke in dem Fünf-Jahres-Zeitraum 2022 bis 2026 mindestens in einem Jahr vorübergehend erreicht werde, liege bei 48 Prozent, berichtete die Weltwetterorganisation (WMO) in Genf.

Die Wahrscheinlichkeit, zeitweise 1,5 Grad Erwärmung zu überschreiten, ist seit 2015 stetig gestiegen – damals lag sie laut WMO nahe Null. Für die Jahre zwischen 2017 und 2021 bestand eine Überschreitungswahrscheinlichkeit von 10 Prozent. Diese Wahrscheinlichkeit sei für den Zeitraum 2022-2026 auf fast 50 Prozent gestiegen.

Das bedeute nicht, dass die 1,5-Grad-Marke dann schon dauerhaft überschritten wird. In den Folgejahren könne der Wert – zeitweise – wieder niedriger liegen. So war das heißeste Jahr bislang 2016 mit etwa 1,2 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau, danach lag die globale Durchschnittstemperatur wieder etwas niedriger.

Die Tendenz ist aber eindeutig: Die Temperaturen steigen seit Jahrzehnten, und die Wahrscheinlichkeit, dass der Temperaturrekord von 2016 in den Jahren 2022 bis 2026 gebrochen wird, liegt laut dem WMO-Bericht bei 93 Prozent.

Die WMO nutzt für ihre jährlichen Prognosen das Fachwissen international anerkannter Klimawissenschaftler und Erkenntnisse aus Vorhersagesystemen führender Klimazentren auf der ganzen Welt. Beschrieben wird die “bodennahe Temperatur”, also die Lufttemperatur zwei Meter über der Erdoberfläche.

Deadline 1,5 Grad

Die Klimaexperten warnen, dass die Folgen des Klimawandels bei einer Erwärmung von dauerhaft mehr als 1,5 Grad erheblich sind. “Die 1,5 Grad sind nicht irgendeine Statistik”, sagte WMO-Generalsekretär Petteri Taalas. “Es ist ein Indikator für den Punkt, an dem die Folgen des Klimawandels für die Menschen und den ganzen Planeten immer schädlicher werden.”

Im Pariser Klimaabkommen hatten sich die Länder der Welt im Dezember 2015 darauf geeinigt, Anstrengungen zu unternehmen, um die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen. “Ein einziges Jahr mit einer Erwärmung von mehr als 1,5 Grad heißt nicht, dass wir die symbolische Schwelle aus dem Pariser Klimaabkommen überschritten haben, aber er macht deutlich, dass wir dem Zeitpunkt immer näher rücken, an dem die 1,5 Grad über einen längeren Zeitraum überschritten werden könnten”, sagte der Hauptautor der Studie, Leon Hermanson.

Treibhausgasaustoß muss sinken

Die bisherigen Klimaschutzanstrengungen reichen nach Expertenüberzeugung bei Weitem nicht aus, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Das hat der Weltklimarat (IPCC) in seinem jüngsten Sachstandsbericht deutlich gemacht. Die Länder müssen demnach mehr unternehmen, um die Treibhausgasemissionen zu reduzieren.

“So lange wir Treibhausgase ausstoßen, werden die Temperaturen weiter steigen”, sagte Taalas. “Und damit werden die Ozeane weiter wärmer und saurer werden, das Meereseis und die Gletscher werden weiter schmelzen, der Meeresspiegel wird weiter steigen und die Wetterereignisse werden immer extremer werden.”

Rasanter Anstieg

Im vergangenen Jahr lag die globale Durchschnittstemperatur nach dem vorläufigen Klimabericht der WMO 1,1 Grad über dem vorindustriellen Niveau – den endgültigen Wert für 2021 veröffentlicht die Organisation am 18. Mai.

Zwar habe das Wetterphänomen La-Niña Anfang und Ende 2021 einen kühlenden Effekt auf die globalen Temperaturen gehabt. Dieser sei aber nur vorübergehend und kehre den langfristigen globalen Erwärmungstrend nicht um.

Die Prognosen für die fünf Jahre bis 2026 hat die britische Meteorologiebehörde mit Hilfe von Experten aus Deutschland und vielen anderen Ländern für die WMO vorgenommen. Sie gehen davon aus, dass die Durchschnittstemperatur in diesem und den kommenden vier Jahren zwischen 1,1 und 1,7 Grad über vorindustriellem Niveau liegen wird.

Für dieses Jahr rechnen die Meteorologen damit, dass es in Südwesteuropa und im Südwesten Nordamerikas trockener sein wird als im Durchschnitt der Jahre 1991 bis 2020. In Nordeuropa, der Sahel-Zone, Nordostbrasilien und Australien dürfte es hingegen feuchter werden. (dpa / hcz)