WMO: Vergangene acht Jahre waren die wärmsten seit Aufzeichnungsbeginn
Wetterextreme treten häufiger auf, der Meeresspiegel steigt, die Konzentration klimaschädlicher Treibhausgase in der Atmosphäre nimmt zu und beschleunigt die Erderwärmung. Das geht aus dem vorläufigen Jahresbericht zum Zustand des Klimas hervor, den die Weltwetterorganisation (WMO) am Sonntag zum Auftakt der Weltklimakonferenz (COP27) in Ägypten veröffentlicht hat.
Der WMO zufolge waren die vergangenen acht Jahre wahrscheinlich die wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen. Das Wetterphänomen La Niña habe die Temperaturen in den vergangenen zwei Jahren zwar etwas gemindert, sodass 2022 voraussichtlich als fünft- oder sechstwärmstes Jahr in die Statistik eingehen werde. Es sei aber nur eine Frage der Zeit, bis ein neues Wärme-Rekordjahr gemessen werde.
Das ungefähr alle zwei bis sieben Jahre auftretende Wetterphänomen La Niña drückt die globale Durchschnittstemperatur, weil sich dabei die oberen Wasserschichten des tropischen Ostpazifiks ungewöhnlich stark abkühlen.
Die globale Durchschnittstemperatur im laufenden Jahr wird schätzungsweise um 1,15 Grad Celsius über dem Durchschnitt von 1850 bis 1900 liegen. Die Durchschnittstemperaturen im Zeitraum 2013 bis 2022 lagen den Daten zufolge bisher 1,14 Grad über dem Durchschnitt im Vergleich zur vorindustriellen Zeit.
Gletscher schmelzen schneller
Die Forschenden berichten auch von neuen Rekorden beim Schmelzen der Gletscher: In den Alpen wurden im Jahr 2022 durchschnittliche Verluste von drei bis vier Metern der Eisdicke gemessen. Das sei deutlich mehr als im bisherigen Rekordjahr 2003, als der Verlust bei knapp drei Metern gelegen hatte. Der Grönländische Eisschild schmolz das 26. Jahr in Folge. Außerdem fiel am höchsten Punkt des Eisschilds im August 2021 erstmals Regen statt Schnee.
In der Schweiz gingen zwischen 2021 und 2022 nach ersten Messungen 6 Prozent des Glechtereisvolumens verloren. Erstmals in der Geschichte überdauerte auch an den höchstgelegenen Messstellen kein Schnee die Sommersaison. Zwischen 2001 und 2022 nahm das Gletschereisvolumen in der Schweiz um mehr als ein Drittel ab.
“Für viele Gletscher ist es bereits zu spät und das Schmelzen wird für Hunderte, wenn nicht Tausende Jahre weitergehen mit enormen Auswirkungen für die Wasserversorgung”, kommentierte WMO-Generalsekretär Petteri Taalas die Entwicklung.
Auch der Meeresspiegel steigt den Forschenden zufolge schneller: Seit 1993 habe sich das Tempo verdoppelt. Alleine seit Januar 2020 stieg der Meeresspiegel um fast 10 Millimeter auf einen neuen Rekordstand. Der Anstieg in den vergangenen zweieinhalb Jahren macht zehn Prozent des Gesamtanstiegs seit Beginn der Satellitenmessung vor fast 30 Jahren aus. Grund dafür ist nach Angaben der WMO das schmelzende Eis. Für Küstenregionen und tiefliegende Staaten ist der steigende Meeresspiegel eine enorme Bedrohung.
WMO-Generalsekretär Taalas mahnte: “Obwohl wir diesen Anstieg immer noch in Millimetern pro Jahr messen, summiert er sich auf einen halben bis einen Meter pro Jahrhundert, und das ist eine langfristige und große Bedrohung für viele Millionen Küstenbewohner und tiefgelegene Staaten.”
Hitzewellen, Dürren und Flutkatastrophen
Auch die Erwärmung der Ozeane erreichte laut dem Bericht 2021 einen neuen Rekordwert – neuere Daten lägen noch nicht vor. Die WMO erwartet, dass sich dieser Trend auch in Zukunft fortsetzen wird.
In diesem Jahr waren zudem Millionen Menschen von Hitzewellen, Dürren und Flutkatastrophen betroffen. Die Wetterextreme verursachten Milliardenkosten: Bis Mitte des Jahres waren unter anderem durch extrem lang anhaltende Dürren im Osten Afrikas bis zu 19,3 Millionen Menschen von unsicherem oder unzureichendem Zugang zu Nahrungsmitteln betroffen. Es gebe Anzeichen, dass auch die aktuelle Saison trocken sein könnte.
Die Fluten in Pakistan kosteten mindestens 1700 Menschen das Leben und vertrieben fast acht Millionen Menschen aus ihrer Heimat. Die Überschwemmungen folgten auf eine extreme Hitzewelle im März und April sowohl in Pakistan als auch in Indien.
Große Teile der nördlichen Hemisphäre waren laut WMO außergewöhnlich heiß und trocken. China etwa erlebte die längste Hitzewelle seit Beginn der Aufzeichnungen. Und auch in Europa gab es wiederholt extreme Hitzeperioden. Pegelstände chinesischer und europäischer Flüsse seien stark gesunken.
“Allzu oft leiden diejenigen am meisten, die am wenigsten für den Klimawandel verantwortlich sind – wie wir bei den schrecklichen Überschwemmungen in Pakistan und der tödlichen, lang anhaltenden Dürre am Horn von Afrika gesehen haben. Aber auch gut vorbereitete Gesellschaften wurden in diesem Jahr von Extremen heimgesucht, wie die lang anhaltenden Hitzewellen und Dürren in weiten Teilen Europas und Südchinas zeigen”, so Taalas.
1,5-Grad-Ziel ist gefährdet
Der WMO zufolge hat auch die Konzentration der wichtigsten Treibhausgase – Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Lachgas (N2O) – in der Atmosphäre im abgelaufenen Kalenderjahr einen neuen Höchststand erreicht. Bei Methan war die Zunahme sogar so groß wie nie.
WMO-Generalsekretär Taalas warnte: “Wir haben so hohe Werte an Kohlendioxid in der Atmosphäre, dass das 1,5-Grad-Ziel kaum noch in Reichweite ist.” Je höher die Erderhitzung ausfalle, desto schlimmer würden die Auswirkungen.
Klimaforschern zufolge muss die Erderhitzung bei 1,5 Grad gestoppt werden, um die Überschreitung gefährlicher Kipppunkte zu vermeiden und die katastrophalsten Folgen des Klimawandels abzuwenden. Die internationale Gemeinschaft hat sich auf dieses Ziel verständigt, tut aber längst nicht genug, um dieses politisch umzusetzen.
UN-Generalsekretär António Guterres warnte am Montag auf der Weltklimakonferenz ebenfalls vor den katastrophalen Folgen der Erderwärmung: “Wir sind auf dem Highway zur Klimahölle – mit dem Fuß auf dem Gaspedal”. Mit Blick auf von der Klimakrise ausgelöste Dürren, Überschwemmungen, Unwetter und steigende Meeresspiegel sagte er: “Wir kämpfen den Kampf unseres Lebens – und sind dabei zu verlieren.” Das 2015 vereinbarte Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, sei akut gefährdet.
Der WMO-Bericht über den Zustand des Klimas erscheint jährlich. Der aktuelle Bericht erfasst Temperaturen bis Ende September und wurde anlässlich der COP27 veröffentlicht. Der finale Bericht soll im April 2023 erscheinen.
Die Weltklimakonferenz findet noch bis zum 18. November im ägyptischen Scharm El-Scheich statt. Vertreter aus knapp 200 Staaten beraten zwei Wochen lang darüber, wie der Kampf gegen die Erderhitzung verstärkt werden kann. Teil der offiziellen Agenda sind auch Beratungen über Finanzmittel für ärmere Länder, die besonders anfällig für Klimaschäden sind, oft aber weniger dazu beigetragen haben. (dpa / js)