200 Umweltschützer wurden 2021 weltweit getötet

Protest gegen ein Bergbauprojekt in Mexiko
Die meisten Getöteten hatten sich gegen Bergbau, Abholzung oder Staudämme eingesetzt. (Quelle: IMAGO / Pacific Press Agency)

Der Einsatz für Umwelt und Natur ist vielerorts lebensgefährlich: Im vergangenen Jahr wurden weltweit mindestens 200 Umweltschützerinnen und -schützer getötet. Das geht aus dem jährlichen Bericht der Nichtregierungsorganisation Global Witness hervor, der vergangene Woche veröffentlicht wurde. Zwischen 2012 und 2021 wurden demnach mehr als 1700 Aktivistinnen und Aktivisten ermordet.

Über drei Viertel aller tödlichen Angriffe im Jahr 2021 wurden in Lateinamerika registriert. Das gefährlichste Land für Naturschützer war laut dem Bericht Mexiko: Dort starben 54 Aktivistinnen und Aktivisten – im Vorjahr waren es 30. In der Statistik folgen Kolumbien, wo 33 Umweltschützer getötet wurden und Brasilien mit 26 Morden. 78 Prozent der Morde in Brasilien, Peru (7) und Venezuela (4) hätten sich im Amazonasgebiet ereignet.

Auch auf den Philippinen (19), in Nicaragua (15) und in Indien (14) registrierte die Organisation zweistellige Fallzahlen. In vielen Ländern würden Umweltschützer außerdem wegen ihrer Arbeit bedroht, eingeschüchtert, verleumdet oder kriminalisiert.

Vermutlich hohe Dunkelziffer

In Afrika hat Global Witness 2021 insgesamt zehn Morde dokumentiert. Acht davon in der Demokratischen Republik Kongo – sie ereigneten sich alle im Nationalpark Virunga. Der Nationalpark sei weiterhin “extrem gefährlich” für die dort tätigen Ranger.

Die tatsächliche Zahl der weltweit getöteten Umweltschützer könnte nach Angaben der Organisation aber deutlich höher liegen. So bleibe es schwierig, Fälle in Afrika zu verifizieren und es sei möglich, dass viele Morde nicht gemeldet werden. Auch in anderen Teilen der Welt führten etwa Einschränkungen der Pressefreiheit und der Zivilgesellschaft dazu, dass nicht alle Angriffe registriert würden.

Weltweit standen die meisten Morde (27) in Verbindung mit Protesten gegen Bergbau. Die meisten dieser tödlichen Angriffe erfolgten in Mexiko (15), gefolgt von den Philippinen (6), Venezuela (4), Nicaragua und Ecuador (je ein Mord). Auch mit Protesten gegen Abholzung, Landwirtschaft und Staudämme standen viele Taten in Verbindung. Nicht in allen Fällen war es jedoch möglich, sie eindeutig einem Bereich zuzuordnen. Die meisten Morde würden nie aufgeklärt.

Morde an indigener Bevölkerung

Überdurchschnittlich oft werden Mitglieder indigener Bevölkerungen angegriffen, wenn sie sich für ihre Rechte einsetzen: Sie waren Ziel von 40 Prozent aller tödlichen Attacken – obwohl sie laut der Organisation nur fünf Prozent der Weltbevölkerung ausmachen. Solche Morde wurden vor allem in Mexiko, Kolumbien, Nicaragua, Peru und auf den Philippinen dokumentiert.

Im April 2021 wurde beispielsweise José Santos Isaac Chávez in Mexiko getötet. Der Indigene war der einzige Kandidat für den Gemeinderat, der sich offen gegen die Eisenerzmine Peña Colorada ausgesprochen hatte. Er wurde mit Folterspuren tot in seinem Auto gefunden, das von einer Klippe gestürzt war.

Die Mine wurde laut Global Witness bereits in den 1970er Jahren in Betrieb genommen. Der Berg Cerro de Los Juanes sei durch sie zerstört worden. Der Bergbau habe außerdem zu Abholzung, dem Verlust von Wildtieren und toxischer Kontamination geführt. Das tatsächliche Ausmaß der Schäden lasse sich allerdings nicht beziffern, da unabhängige Ermittler das Gelände nicht betreten dürfen. In dem Gebiet soll auch ein Drogenkartell in illegalen Bergbau verwickelt sein.

Etwa einer von zehn registrierten Morden habe Frauen betroffen – fast zwei Drittel der getöteten Frauen hatten einen indigenen Hintergrund.

Alle zwei Tage ein Mord

Die Organisation veröffentlicht ihren Bericht zu Morden an Umweltschützerinnen und Umweltschützern seit 2012. In den vergangenen zehn Jahren hat sie insgesamt 1733 Todesfälle dokumentiert – im Durchschnitt entspricht das einem Mord alle zwei Tage. Die meisten Taten innerhalb dieser zehn Jahre verzeichnete Global Witness in Brasilien (342), gefolgt von Kolumbien (322), den Philippinen (270), Mexiko (154) und Honduras (117). Nahezu 70 Prozent aller Tötungen ereigneten sich in Lateinamerika.

Eine Sprecherin von Global Witness sagte: “Überall auf der Welt riskieren Indigene, Umweltaktivisten und Naturschützer ihr Leben im Kampf gegen den Klimawandel und den Verlust der biologischen Vielfalt. Sie spielen eine entscheidende Rolle als erste Verteidigungslinie gegen den ökologischen Kollaps, werden aber selbst angegriffen und sind Gewalt, Kriminalisierung und Schikanen ausgesetzt von repressiven Regierungen und Unternehmen, denen Profit wichtiger als Menschen und Umwelt ist.”

Die Organisation fordert Staaten auf, Aktivisten zu schützen. Bereits existierende Gesetze zum Schutz von Umweltschützern müssten durchgesetzt werden. Wenn solche Gesetze noch nicht existieren, müssten sie geschaffen werden. Außerdem müssten Versuche gestoppt werden, Aktivisten zu kriminalisieren. Staaten sollten zudem Unternehmen und Finanzinstitutionen verpflichten, bei ihren weltweiten Aktivitäten die Auswirkungen auf Menschenrechte und Umweltrisiken zu prüfen.

Unternehmen sollten Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden identifizieren und ihnen vorbeugen sowie Betroffene entschädigen.

Global Witness appelliert auch an die EU, das geplante Lieferkettengesetz unter anderem in Bezug auf die Rechte Indigener nachzuschärfen. Auch in Bezug auf die Klimakrise müssten die vorgesehenen Sorgfaltspflichten für Unternehmen erweitert werden.

Die Organisation berichtet aber auch von Erfolgen: So hat ein indonesisches Gericht im Mai die Genehmigung für eine Goldmine für ungültig erklärt und die örtlichen Behörden angewiesen, sie zu widerrufen. Bewohner der Sangihe-Inseln hatten erfolgreich gegen die Mine geklagt, weil sie weitreichende Umweltzerstörungen durch das 42.000 Hektar große Bergbaugebiet fürchteten.

In Honduras wurde im Juli 2021 zudem der ehemalige Chef einer Staudammfirma für seine Rolle bei der Anordnung des Mordes einer indigenen Umweltschützerin zu 22 Jahren Haft verurteilt. Die Aktivistin Berta Cáceres war im Jahr 2016 von Auftragsmördern erschossen worden, nachdem sie jahrelang Widerstand gegen einen Staudamm im Gualcarque-Fluss im Westen von Honduras geleistet hatte. (dpa / js)