Belarus sperrt Internetseiten der Deutschen Welle
Die Behörden in Belarus haben die Internetseiten der Deutschen Welle (DW) gesperrt. Die Online-Angebote in allen 32 Sendesprachen seien nicht mehr abrufbar, teilte der Sender am Freitag in Bonn mit. Das Informationsministerium in Minsk begründete den Schritt der staatlichen Nachrichtenagentur BELTA zufolge damit, dass die Deutsche Welle Materialien verlinke, die laut Gerichtsbeschlüssen als extremistisch eingestuft worden seien. “Der Artikel 38 des Mediengesetzes sieht dabei unter anderem ein direktes Verbot der Verbreitung von Hyperlinks zu derartigen Materialien vor”, erklärte Informationsminister Andrej Kunzewitsch. Weitere Details nannte die Behörde nicht.
DW-Intendant Peter Limbourg sprach von “einem Akt der Verzweiflung” bei der Führung in Belarus. “Der Vorwurf gegen die DW ist absolut lächerlich. Herr Lukaschenko hat gezeigt, dass er im Kampf gegen seine eigene Bevölkerung vor nichts zurückschreckt, um seine Macht zu erhalten”, sagte er laut einer Mitteilung.
Am Donnerstag meldeten Nutzerinnen und Nutzer über soziale Medien, dass die DW-Seiten nicht mehr erreichbar seien. Das betraf zunächst nur einzelne Internet-Provider. Mittlerweile sei die Sperre aber umfassend – und auch über das Mobilfunknetz können die Nachrichtenseiten nicht mehr angesteuert werden.
Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts sagte in Berlin, der deutsche Botschafter in Minsk habe das dortige Außenministerium um Erklärung zu dem Vorfall gebeten und gefordert, den Zugang zur Website der Deutschen Welle umgehend wieder zu ermöglichen.
“Typisch Diktatur”
“Wir protestieren gegen die Sperrung unserer Angebote, weil die Menschen dort ein Anrecht auf objektive Informationen über die Situation in ihrem Land haben”, sagte Limbourg. “Die starke Nutzung unabhängiger Medienangebote zeigt deutlich, dass die Menschen in Belarus den vom Staat gelenkten Medien nicht mehr vertrauen.”
Auch mehrere Journalistenverbände verurteilten das Vorgehen des belarussischen Machtapparats. Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) etwa sprach von einem “willkürlichen Eingriff in die Pressefreiheit”. Der Fall stehe im Zusammengang mit dem Vorgehen der Behörden gegen oppositionelle und unabhängige Medien. “Das Regime geht verstärkt gegen die digitale Sphäre vor”, fasste Christopher Resch von RSF zusammen.
Die deutsche Medien-Staatsministerin Monika Grütters nannte es “typisch für eine Diktatur, […] Medienschaffende mundtot zu machen”. Angesichts der Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in autoritären Regimen sei “die Deutsche Welle als Stimme des unabhängigen Qualitätsjournalismus heute vielerorts wichtiger denn je”.
Als einen “Akt der Rache für die Wahrheit” wertete die Oppositionspolitikerin Swetlana Tichanowskaja den Fall gegenüber der DW. Zudem sprach sie ihren Dank aus für die Arbeit der Journalisten und rief dazu auf, sich nicht einschüchtern zu lassen und weiterzumachen.
“Das darf nicht schweigend hingenommen werden”, urteilte FDP-Bundestagsabgeordnete Renate Alt. Das Vorgehen zeige, dass freier und unabhängiger Journalismus die größte Gefahr für Präsident Lukaschenko darstellten. Sie sagte gegenüber der DW: “Es ist nicht nur Angst, man kann von einer Panik sprechen. Er hat erkannt, welche Wirkungen oder Auswirkungen die Berichterstattung der Deutschen Welle hat.”
Auch US-Botschaft unter Druck gesetzt
Erst im Frühjahr dieses Jahres hatte die DW ihr Angebot für Belarus weiter ausgebaut. Auch zwei weitere Nachrichtenportale sind von der Sperrung betroffen – unter anderem ein Projekt des US-Auslandssenders Radio Free Europe. Der seit 1994 regierende Präsident Alexander Lukaschenko geht seit den Massenprotesten im Sommer und Herbst vergangenen Jahres massiv gegen unabhängige Medien, Menschenrechtsorganisationen und Andersdenkende vor. Die EU und die USA haben bereits Sanktionen gegen die Ex-Sowjetrepublik verhängt und seine angebliche Wiederwahl im Jahr 2020 nicht anerkannt. Lukaschenko wird vom russischen Präsidenten Wladimir Putin unterstützt.
Unter dem Vorwand der Extremismusbekämpfung war das belarussische Regime bereits in der Vergangenheit gegen journalistische Berichterstattung vorgegangen: Beispielsweise hatte ein Gericht im August die unabhängige Nachrichtenseite Zerkalo.io als “extremistisch” eingestuft und verboten. Dem Vorläufer Tut.by widerfuhr dieses Schicksal bereits im Mai. Das Teilen von Inhalten der Seiten in sozialen Netzwerken kann Geld- und Gefängnisstrafen nach sich ziehen. Selbst die Logos der verbotenen Medien dürfen nicht mehr gezeigt werden.
Human Rights Watch berichtet von Zensur in dem Land und die Organisation Netblocks von wiederholten gezielten Internet-Ausfällen. Diese traten oftmals im Zusammenhang mit öffentlichen Protesten gegen die Regierung auf. Telekommunikationsanbieter bestätigten, dass die Einschränkungen auf Anweisung der Behörden erfolgten.
Die US-Botschaft in Belarus muss indes auf Druck der Behörden ihre Pressestelle sowie weitere Büros wie das zur Entwicklungshilfe USAID schließen. “Diese Maßnahmen spiegeln die tiefe Unsicherheit der belarussischen Behörden wider. […] diese jüngsten Maßnahmen werden uns auch nicht dazu veranlassen, die Kontakte und das Engagement aufzugeben, die dem belarussischen Volk zugute gekommen sind und die Beziehungen zwischen unseren Bürgern gefördert haben”, hieß es. Zudem sei die Botschaft gezwungen worden, mehr als 20 belarussischen Mitarbeitern zu kündigen. (dpa / hcz)