Europäische Firma soll Überwachungssystem an Paramilitärs geliefert haben
Die griechische Firma Intellexa hat offenbar Überwachungssysteme an Paramilitärs im Sudan geliefert. Das haben gemeinsame Recherchen von Lighthouse Reports, der israelischen Tageszeitung Haaretz und der griechischen Nachrichtenseite Inside Story ergeben. Intellexa verkauft in Griechenland die Spionagesoftware Predator, die dort gegen Medienschaffende und Politiker eingesetzt wurde.
Die in der vergangenen Woche veröffentlichte Recherche stützt sich auf Geschäftsdokumente, Flugdaten und mit den Vorgängen vertraute Quellen. Demnach beliefert Intellexa einige seiner Kunden mit einem Privatjet.
Das Flugzeug soll im Mai 2022 von Zypern nach Khartum, der Hauptstadt des Sudans im Nordosten Afrikas, geflogen sein. An Bord befand sich den Recherchen zufolge in der EU entwickelte “High-End-Überwachungstechnologie”, um Smartphones auszuspähen.
Empfänger der Lieferung sollen die sogenannten Rapid Support Forces gewesen sein, eine paramilitärische Gruppe im Sudan. Menschenrechtsorganisationen werfen der Gruppe zahlreiche Menschenrechtsverletzungen vor. Die Rapid Support Forces sollen im Jahr 2019 etwa unbewaffnete Demonstrierende getötet haben.
Damals war der langjährige Machthaber Omar al-Bashir abgesetzt worden; eine Übergangsregierung sollte das Land zu demokratischen Wahlen führen. Im Oktober 2021 putschte jedoch die sudanesische Armee und regiert das Land seitdem. Die Rapid Support Forces sind offiziell der Armee unterstellt. Laut Lighthouse Reports konkurrieren sie unter ihrem Befehlshaber Hemeti aber um die Kontrolle über das Land.
Wie Lighthouse Reports berichtet, haben die Paramilitärs die Überwachungsausrüstung aus der Hauptstadt in ihre Hochburg Darfur geschmuggelt, um eine Beschlagnahmung durch die Armee zu verhindern. Unter Berufung auf nicht namentlich genannte Quellen berichten die Journalisten, das Überwachungssystem sei inzwischen einsatzbereit.
Zusammenarbeit mit Waffenhändlern
Anette Hoffmann von der niederländischen Denkfabrik Clingendael Institute sagte gegenüber den Journalisten: “Die Ausstattung der Rapid Support Forces mit hochentwickelter Überwachungstechnologie wird nicht nur die brutale Unterdrückung und Tötung der bemerkenswert tapferen sudanesischen Demonstranten verschärfen und die Hoffnungen auf Demokratie in der Region zunichte machen.” Sie warnte auch, das Machtverhältnis in dem Land könnte kippen und das Risiko eines erneuten Bürgerkrieges erhöhen.
Laut den Medienrecherchen soll das Intellexa-Flugzeug auch in die Vereinigten Arabischen Emirate und nach Saudi-Arabien geflogen sein. Ob dorthin ebenfalls Überwachungssysteme geliefert wurden, geht aus dem Bericht nicht hervor. Interne Unterlagen belegen laut Lighthouse Reports allerdings, dass sich das Unternehmen besonders um Geschäfte mit afrikanischen Staaten bemüht und dafür mit Waffenhändlern zusammengearbeitet hat. Diese sollen die Produkte in den Ländern angeboten haben – unter anderem habe das Unternehmen versucht, Verträge in Angola, Kenia und Mosambik zu schließen.
Intellexa gehört zu einem Firmengeflecht, das sich laut den Recherchen über Griechenland, Zypern, Irland und die Britischen Jungferninseln spannt. Dazu zählt auch der Predator-Hersteller Cytrox. Sicherheitsforscher vom Citizen Lab an der Universität Tornto hatten bereits im vergangenen Jahr über die Unternehmen sowie über die Spähsoftware Predator berichtet. Predator ist demnach in der Lage, ein Mobiltelefon komplett zu übernehmen. Angreifer können auch die Kamera und das Mikrofon unbemerkt aktivieren.
Durch den Zusammenschluss verschiedener Unternehmen unter dem Dach von Intellexa will die Firma mit anderen Spähsoftwareanbietern konkurrieren können – allen voran mit dem israelischen Pegasus-Hersteller NSO Group.
Genehmigungspflichtige Exporte
Predator steht auch im Mittelpunkt des griechischen Abhörskandals: Sicherheitsforscher konnten im April nachweisen, dass das Smartphone des griechischen Journalisten Thanasis Koukakis mit der Überwachungssoftware ausgespäht wurde. Auch der Chef der sozialdemokratischen Partei PASOK und EU-Parlamentsabgeordnete Nikos Androulakis wurde mit Predator angegriffen.
Hinter der Spionage wird die griechische Regierung vermutet – diese dementiert die Vorwürfe.
Laut Lighthouse Reports hätten die Exporte von Überwachungstechnik in Nicht-EU-Staaten eigentlich genehmigt werden müssen. Weder die griechische, noch die zyprische Regierung wollten den Journalisten gegenüber jedoch Angaben dazu machen, ob Intellexa eine Genehmigung beantragt oder erhalten hat.
Mit dem griechischen Abhörskandal beschäftigt sich auch der Pegasus-Untersuchungsausschuss im Europaparlament. Dessen Berichterstatterin Sophie in ’t Veld fragte anlässlich der Veröffentlichung der Recherchen auf Twitter, ob die EU-Kommission den Fall untersuchen werde – es handle sich um einen “eklatanten Verstoß gegen die EU-Ausfuhrbestimmungen”. In ’t Veld kritisiert, der Markt für Spionageprogramme stelle eine Bedrohung für demokratische Institutionen auf der ganzen Welt dar. Sie verglich Spähsoftware mit Wundbrand: “Es infiziert einen Teil des Körpers und breitet sich dann aus. Man kann es nicht eindämmen.”
Die Europaabgeordnete fordert ein Moratorium für den Einsatz und den Handel mit Spionagesoftware. Auch NGOs und unabhängige Experten fordern ein solches Moratorium. Der ehemalige UN-Sonderberichterstatter für Meinungsfreiheit, David Kaye, sieht ein Moratorium sogar als Minimum an. Vor dem Untersuchungsausschuss erklärte er vor wenigen Wochen, er habe ernsthafte Zweifel, dass Überwachungstechnologien mit den Fähigkeiten von Pegasus jemals den Anforderungen der internationalen Menschenrechtsabkommen genügen können – ihr Einsatz sollte daher als rechtswidrig angesehen werden. Er forderte den Ausschuss auf, ein Verbot für die Verwendung und den Export solcher Überwachungstechnologien in Erwägung zu ziehen. (js)