Gericht untersagt TUI Cruises und Shell irreführende Klimaversprechen
Das Landgericht Hamburg hat zwei Klagen gegen die Kreuzfahrtreederei TUI und den Mineralölkonzern Shell Deutschland zugunsten der Deutschen Umwelthilfe (DUH) entschieden. Beiden Unternehmen wurde die Werbung mit irreführenden Aussagen in Bezug auf angebliche Klimaneutralität untersagt.
Wie die DUH am Freitag mitteilte, bestätigte das Gericht die Irreführung von Verbraucherinnen und Verbrauchern durch Werbeversprechen von Shell Deutschland zu angeblich neutralisierten CO2-Emissionen – und untersagte diese.
Die DUH kritisierte in diesem Fall, dass das Unternehmen den Ausgleich von beim Autofahren verursachten CO2-Emissionen verspreche. Dabei fehlten aber Angaben, wie diese angebliche CO2-Neutralität erreicht wird.
Laut der DUH werden zur Kompensation unter anderem Emissionsgutschriften aus Waldschutzprojekten in Peru und Indonesien gekauft. In “fast allen Fällen” seien Waldschutzprojekte aber nicht zur Kompensation von CO2 geeignet, da das Klimagas CO2 für viele Jahrhunderte in der Erdatmosphäre verbleibt. Die Projektbetreiber würden aber nur garantieren, dass die Bäume noch für “einige Jahre bis Jahrzehnte erhalten” blieben. Das in den Bäumen gebundene CO2 könne danach freigesetzt werden.
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH, bezeichnete das Urteil als “Paukenschlag für den Klimaschutz”. Er sagte: “Shell ist mit seinem schmutzigen Geschäftsmodell für den Ausstoß von vielen Millionen Tonnen CO2 verantwortlich. Mit der Rechtskraft der heutigen Gerichtsentscheidung ist die durch Shell verursachte Verbrauchertäuschung gestoppt.”
Erfolgreiche Klage gegen Kreuzfahrtanbieter
Auch einen Rechtsstreit mit dem Kreuzfahrtanbieter TUI Cruises hat die Organisation vor dem Landgericht Hamburg gewonnen: Darin ging es um das Versprechen des Anbieters, im Jahr 2050 einen “dekarbonisierten Kreuzfahrtbetrieb” anzubieten – seine Schiffe also mit neutraler Klimabilanz zu betreiben. Das Gericht untersagte TUI Cruises Werbung mit der Aussage “2050 Dekarbonisierter Kreuzfahrtbetrieb (Net-zero)”, solange das Unternehmen keine konkreten Angaben zur Umsetzung macht.
Das Gericht hält diese klimabezogene Formulierung für irreführend, weil sie mehrdeutig ist. Ein Gerichtssprecher sagte gegenüber der Nachrichtenagentur dpa: “Nach Ansicht des Landgerichts lasse sich die Aussage sowohl dahingehend verstehen, dass im Kreuzfahrtbetrieb im Jahr 2050 CO2-Emissionen vollständig vermieden werden als auch dahingehend, dass unter Zuhilfenahme von Kompensationsmaßnahmen eine ausgeglichene Bilanz erreicht werde.”
An die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Aussagen im Bereich der umweltbezogenen Werbung seien strenge Anforderungen zu stellen, betonte das Gericht. Es bestehe ein “gesteigertes Aufklärungsbedürfnis”. Dem sei TUI Cruises mit einem auf der Internetseite unter der Formulierung dargestellten Maßnahmenkatalog nicht gerecht geworden.
TUI hatte in einer Grafik angegeben, die Ziele durch den Einsatz von alternativen Kraftstoffen wie Flüssiggas (LNG) und synthetisierten E-Fuels zu erreichen, sowie “grünem” Landstrom. Die DUH hatte hingegen kritisiert, dass die Verfügbarkeit dieser Ressourcen bis 2050 für die (Kreuz-)Schiffahrt “nicht ansatzweise gesichert” sein wird.
Aus Sicht der Organisation sind künstliche E-Fuels eine derzeit “völlig unausgereifte” Technologie. TUI habe nicht ausreichend erklärt, wie künftig genügend E-Fuel für die Schifffahrt zur Verfügung stehen soll. LNG sei zudem ein fossiler Kraftstoff.
Urteil von besonderer Relevanz
Als Reaktion auf das Urteil teilte die DUH mit, das Verfahren sei von besonderer Relevanz, weil “die DUH damit erstmalig gegen ein Werbeversprechen vorgegangen ist, das erst weit in der Zukunft eintreten soll”. Solche Versprechen müssten eine realistische Grundlage haben und dürften nicht auf falschen Aussagen beruhen.
Das Landgericht erklärte in seinem Urteil, auch Ziele eines Unternehmens könnten Auswirkungen auf gegenwärtige Verbraucherentscheidungen haben. In Zeiten des menschengemachten Klimawandels und mit dem Wissen, dass Kreuzfahrten energieintensiv sind, hätten Verbraucher ein gesteigertes Interesse an umweltbezogenen Maßnahmen der Anbieter. Verbraucher würden sich daher vor der Buchung über die “getroffenen und geplanten klimabezogenen Maßnahmen auf der Webseite der Beklagten” informieren und eine Buchung davon abhängig machen.
Ein Sprecher von TUI Cruises sagte auf Anfrage der dpa: “Die Grafik unseres Fahrplans zur Dekarbonisierung (Klimaschutz Roadmap), die Gegenstand des Verfahrens war, ist bereits seit mehr als einem halben Jahr entsprechend angepasst.” Unabhängig von dem Urteil werde der Konzern an seinen Klimazielen festhalten. Ob gegen das Urteil Berufung eingelegt wird, will TUI Cruises prüfen.
Resch sagte: “Das heutige Urteil gegen TUI Cruises ist richtungsweisend für die Überprüfung vieler Werbeaussagen, mit denen Unternehmen damit werben, in einigen Jahren besonders klimafreundlich sein zu wollen, obwohl sie es jetzt bei weitem nicht sind.” Solche Werbeaussagen seien in vielen Fällen unzulässig. Die DUH fordert von Handel und Industrie, nur mit solchen Aussagen zu werben, “wenn ein nachvollziehbarer Ausstiegspfad aus der Verursachung von Treibhausgasemissionen nachgewiesen werden kann”.
DUH klagt gegen Werbung mit Klimaversprechen
Die DUH hat bereits mehrere juristische Erfolge wegen falscher Klimaversprechen in der Werbung erzielt.
So hatten sich etwa Fleurop und Lavazza Ende letzten Jahres dazu verpflichtet, Produkte nicht mehr als “klimaneutral” zu bezeichnen. Dem Essenslieferdienst HelloFresh hat das Landgericht Berlin im Oktober 2023 verboten, sich als “erstes globales klimaneutrales Kochbox-Unternehmen” zu bezeichnen, nachdem die DUH geklagt hatte.
Im Juni hatte zudem der Bundesgerichtshof in einem von der Frankfurter Wettbewerbszentrale angestrengten Verfahren gegen den Lakritz- und Fruchtgummihersteller Katjes festgestellt, dass Firmen nur mit dem Begriff “klimaneutral” werben dürfen, wenn sie direkt in der Werbung erklären, wie die Klimaneutralität erreicht wird. (dpa / js)