Iran: Friedensnobelpreisträgerin vorübergehend freigelassen
Die iranische Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi darf das Gefängnis nach einer medizinischen Behandlung vorübergehend verlassen. Zuvor hatten die Behörden bereits den bekannten Rapper Toomaj Salehi freigelassen. Doch das Regime kündigt auch weitere Repressionen an. Menschenrechtler sind auch wegen der steigenden Hinrichtungszahlen besorgt.
Medienberichten zufolge wurde die Vollstreckung von Mohammadis Gefängnisstrafe auf ärztliche Empfehlung für drei Wochen ausgesetzt. Am Mittwochmorgen habe sie das berüchtigte Ewin-Gefängnis verlassen, in dem sie bereits seit dem Jahr 2021 inhaftiert ist. Erst im Oktober wurde sie zu einer weiteren Haftstrafe verurteilt.
Die Free Narges Coalition teilte mit, Mohammadi sei Mitte November operiert worden. Der NGO-Zusammenschluss nannte die 21-tägige Haftunterbrechung “zu wenig, zu spät”. Es handle sich auch nicht um einen richtigen Hafturlaub aus medizinischen Gründen – Mohammadi müsse vielmehr die 21 Tage nach ihrer Rückkehr ins Gefängnis zusätzlich zu ihrer Haftstrafe verbüßen.
Die 52 Jahre alte Aktivistin leidet an Herzproblemen und im August wurde zudem bekannt, dass sie im Gefängnis misshandelt wurde. Mohammadis Gesundheitszustand habe sich während ihrer langen Haft drastisch verschlechtert, so der NGO-Zusammenschluss. Die Unterstützer fordern ihre sofortige und bedingungslose Freilassung.
Einsatz für Frauenrechte
Narges Mohammadi ist für ihren Einsatz gegen den Kopftuchzwang und die Todesstrafe bekannt. Im Jahr 2023 wurde sie mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
Ein von der Free Narges Coalition in den sozialen Medien veröffentlichtes Video zeigt, wie sie nach ihrer vorübergehenden Freilassung aus einem Krankenwagen geholt wird und “Frau, Leben, Freiheit” ruft – den Slogan der Protestbewegung, die sich im Iran nach dem Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini gebildet hatte. Amini war im Herbst 2022 wegen eines angeblich falsch sitzenden Kopftuchs von der sogenannten Sittenpolizei verhaftet worden und wenig später gestorben.
Auch der iranische Rapper Toomaj Salehi hatte sich mit der Protestbewegung solidarisiert und die Regierung kritisiert – und war deshalb zum Tode verurteilt worden. Er hatte von Folter während seiner Haftzeit berichtet.
Berichten zufolge wurde er am vergangenen Wochenende freigelassen. Bereits im Sommer war das gegen ihn verhängte Todesurteil aufgehoben worden – seine Freilassung wurde jedoch bisher verweigert.
Lena Rohrbach von Amnesty International Deutschland sagte: “Wir begrüßen die längst überfällige Freilassung von Toomaj Salehi. Er hätte niemals willkürlich inhaftiert werden dürfen.”
Salehis in Belgien lebende Cousine sagte gegenüber dem Guardian ebenfalls, er hätte niemals festgenommen werden dürfen, nur weil er Freiheit und Menschlichkeit gefordert habe. Sie fügte hinzu: “Wir werden die zahllosen anderen Freiheitssuchenden nicht vergessen, die noch immer zu Unrecht inhaftiert sind.”
Die Behörden waren monatelang während Demonstrationen immer wieder brutal gegen Teilnehmer vorgegangen und hatten Zehntausende verhaftet. Mehrfach hat das Regime in diesem Zusammenhang auch Todesurteile verhängt und vollstreckt – auch im November waren erneut Demonstrierende verurteilt worden.
Iran richtet vermehrt hin
Die in Oslo ansässige Organisation Iran Human Rights (IHRNGO) berichtete am Mittwoch, im November seien mindestens 144 Menschen, darunter vier Frauen, in iranischen Gefängnissen hingerichtet worden. Im Durchschnitt entspreche das mehr als vier Exekutionen pro Tag.
Im Oktober hatte die NGO sogar 166 Hinrichtungen dokumentiert. Dies sei die höchste Zahl seit dem Jahr 2007.
IHRNGO-Direktor Mahmood Amiry-Moghaddam erklärte: “Mit der Hinrichtung von mindestens 310 Personen in zwei Monaten hat die Islamische Republik die umfangreichste Hinrichtungswelle in iranischen Gefängnissen in den letzten zwei Jahrzehnten eingeleitet. Bei den Hingerichteten handelt es sich überwiegend um Menschen aus marginalisierten Gruppen, die keine fairen Gerichtsverfahren erhalten haben.”
Menschenrechtler haben wiederholt gewarnt, das iranische Regime setze die Todesstrafe ein, um Angst und Schrecken zu verbreiten und so seine Macht zu sichern. Die internationale Gemeinschaft müsse sich für einen Stopp der Hinrichtungen einsetzen.
Zunehmende Repressionen
Die iranische Regierung hat in den vergangenen Monaten ihre Repressionen verstärkt und beispielsweise härtere Strafen für Verstöße gegen die Kleidervorschriften eingeführt. Im November kündigte der Iran zudem an, eine “Klinik” zu eröffnen, in die Frauen gesteckt werden sollen, die sich den Kleidervorschriften widersetzen. Menschenrechtsaktivisten bezeichnen dies als “erschreckend”.
UN-Expertinnen hatten im September berichtet, die Behörden hätten seit April ihre Repressionen gegenüber Frauen und Mädchen weiter verstärkt, die sich nicht an das Hidschab-Gesetz halten – sie würden von Sicherheitskräften physisch angegriffen oder verhaftet. Verstöße gegen die Vorschriften würden im öffentlichen Raum auch mit Überwachungstechnik wie Drohnen kontrolliert.
Die Expertinnen äußerten zudem große Sorge, weil aktivistisch engagierte Frauen vermehrt zum Tode verurteilt würden. (js)