Iran: Härtere Strafen für Verstöße gegen Kleidervorschriften

Eine verschleierte Frau im Iran
Das neue Gesetz ist bereits seit vergangenem Jahr geplant – und wurde damals schon scharf kritisiert. (Quelle: IMAGO / NurPhoto)

Im Iran drohen bei Verstößen gegen die Bekleidungsvorschriften künftig noch höhere Strafen als bislang. Menschenrechtler bezeichnen sie als “drakonisch”. Die Gesetzesverschärfung hatte bereits vor einem Jahr für viel Kritik gesorgt – nun sollen die Regeln in Kraft treten.

Das offiziell als Gesetz zum “Schutz der Familie durch Förderung der Kultur des Hidschabs und der Keuschheit” bezeichnete Regelwerk besteht aus insgesamt 71 Artikeln. Dazu zählen neue Vorschriften und Strafen, wie die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) am Montag berichtet.

Im Gesetz werden beispielsweise “unangemessene” Kleidungsstile und Strafen dafür beschrieben: So dürfen Frauen und Mädchen beispielsweise keine enge Kleidung tragen. Auch Kleider, bei denen ein Teil des Körpers unterhalb des Halses, oberhalb der Knöchel oder oberhalb der Unterarme sichtbar ist, sind tabu. Bei Männern gilt Kleidung als “unangemessen”, die ihren Körper unterhalb der Brust und oberhalb der Knie nicht bedeckt. Auch ärmellose Oberteile sind verboten.

Wer sich dennoch so in der Öffentlichkeit zeigt, dem drohen künftig Geldstrafen in Höhe von umgerechnet etwa bis zu 700 Euro. Bei mehrfachem Verstoß sind Geldstrafen von über 2000 Euro sowie bis zu fünf Jahre Gefängnis vorgesehen. Betroffenen droht außerdem ein zweijähriges Reiseverbot und ihnen können Online-Aktivitäten untersagt werden.

Bis zu 15 Jahre Gefängnis

Frauen und Mädchen, die sich in der Öffentlichkeit ohne “ordnungsgemäßen” Hidschab zeigen, ihre Haare also beispielsweise nicht bedecken, drohen ebenfalls Geldstrafen und bis zu zwei Jahre Gefängnis. Reiseverbote und der Ausschluss von Online-Aktivitäten sind ebenfalls vorgesehen. Das gilt auch, wenn Frauen sich im Internet ohne die vorgeschriebene Verschleierung zeigen.

Mit bis zu 10 Jahren sollen außerdem Personen bestraft werden, die sich an öffentlichen Orten “nackt” oder halbnackt" zeigen oder Kleidung tragen, die “gesellschaftlich als Nacktheit angesehen” wird – was genau darunter fällt, bleibt unklar. Bei mehrfachen Verstößen kann die Gefängnisstrafe sogar auf bis zu 15 Jahre erhöht werden.

Bestraft werden laut dem Gesetz auch Verstöße gegen die Bekleidungsvorschriften im digitalen Raum. Geldstrafen sind beispielsweise vorgesehen, wenn sich Personen online über den Hidschab lustig machen. Im Iran verfügbare Plattformen müssen solche Inhalte zudem innerhalb von 12 Stunden löschen. Aktivismus gegen die Hidschab-Pflicht kann laut HRW ebenfalls mit langjährigen Haftstrafen geahndet werden.

Berufsverbote

Influencer und Personen des öffentlichen Lebens, die gegen die Vorschriften verstoßen oder Verstöße gutheißen, müssen sogar mit einem Berufsverbot rechnen. Die Justiz soll außerdem fünf Prozent ihres Vermögens beschlagnahmen und ihnen die Ausreise verbieten können. Zudem drohen Geschäftsinhabern Konsequenzen, wenn sie nicht gegen Bekleidungsverstöße vorgehen – die Behörden können ihre Geschäfte sogar schließen.

Laut HRW verpflichtet das Gesetz die Strafverfolgungsbehörden im Iran zudem, technische Systeme einzusetzen, um Personen zu identifizieren, die gegen die Vorschriften verstoßen. Berichten zufolge setzt die sogenannte Sittenpolizei im Iran schon seit längerem Überwachungstechnik wie Gesichtserkennung ein, um Frauen ohne Kopftuch im öffentlichen Raum zu identifizieren. Autofahrerinnen ohne Kopftuch werden ebenfalls mithilfe technischer Mittel identifiziert – die Behörden beschlagnahmen bei wiederholten Verstößen ihre Fahrzeuge.

Nahid Naghshbandi von HRW kritisierte: “Anstatt auf die Bewegung ‘Frau, Leben, Freiheit’ mit grundlegenden Reformen zu reagieren, versucht die autokratische Regierung, Frauen mit noch repressiveren Bekleidungsgesetzen zum Schweigen zu bringen.”

Der Ruf “Frau, Leben, Freiheit” wurde weltweit bei Protesten nach dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini im September 2022 verwendet. Sie war von den Sittenwächtern aufgrund eines angeblich nicht korrekt sitzenden Kopftuchs festgenommen worden – und wenig später verstorben.

Im Iran hatte der Fall eine landesweite Protestwelle ausgelöst. Berichten zufolge bewegen sich seitdem viele Frauen ohne Kopftuch in der Öffentlichkeit und tragen Kleidung, die ebenfalls gegen die Vorschriften verstößt. Die Behörden hatten mit starken Repressionen reagiert. Amnesty International kritisiert, das Regime im Iran habe auch die Anwendung der Todesstrafe verstärkt. Im Zusammenhang mit den Protesten wurden demnach zehn Männer hingerichtet.

Internationale Gemeinschaft soll handeln

Das neue Gesetz wurde bereits im Mai 2023 vom damaligen Präsidenten Raisi vorgeschlagen und im September desselben Jahres vom Parlament verabschiedet. Der sogenannte Wächterrat hatte es zunächst blockiert, im September 2024 aber ebenfalls gebilligt. Laut HRW wird es damit in Kürze in Kraft treten. Zunächst hat das Gesetz eine Gültigkeit von drei Jahren.

Bereits bei der Verabschiedung des Gesetzes im iranischen Parlament hatte es Kritik gegeben: Das UN-Menschenrechtsbüro hatte das Gesetz als “repressiv und erniedrigend” bezeichnet. Kritik hatte es auch daran geübt, dass im Gesetz vage Begriffe wie “Nacktheit” und “Unanständigkeit” verwendet werden. Das Gesetz verstoße in eklatanter Weise gegen internationales Recht.

Die Menschenrechtsorganisation kritisiert, dass das Gesetz nun in Kraft tritt, obwohl sich der neue iranische Präsident Massud Peseschkian im Wahlkampf gegen die Durchsetzung der Hidschab-Pflicht ausgesprochen hatte. Die Organisation fordert den Präsidenten auf, das Gesetz nicht zu unterzeichnen – in Kraft treten würde es aber trotzdem. Laut der Organisation würde der Parlamentspräsident in diesem Fall die Veröffentlichung im Amtsblatt veranlassen.

Naghshbandi appellierte auch an die internationale Gemeinschaft, den Iran zum Stopp des Gesetzes aufzufordern. Der Iran müsse dafür sorgen, “dass Frauen und Mädchen nicht mehr wegen ihrer Kleiderwahl diskriminiert und misshandelt werden”. (js)