Iran: Weiteren Demonstranten droht Hinrichtung
Der Oberste Gerichtshof im Iran hat im Zusammenhang mit den Protesten ein weiteres Todesurteil gegen einen Demonstranten bestätigt. Die sogenannten Revolutionsgerichte haben zudem zwei weitere Männer zum Tode verurteilt.
Wie das iranische Justizportal Misan berichtet, wurde Mohammed B. wegen “Kriegsführung gegen Gott” zum Tode verurteilt. Er soll Sicherheitskräfte mit einer Waffe verletzt haben. Nach der Bestätigung des Urteils durch den Obersten Gerichtshof kann dieses nun nicht mehr angefochten werden – er kann damit jederzeit hingerichtet werden. Laut der in Oslo ansässigen NGO Iran Human Rights ist Mohammed B. 19 Jahre alt.
Amnesty International kritisierte die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs. Laut der Organisation wurde der junge Mann in einem Schauprozess verurteilt. Die Behörden müssten sofort alle Pläne für seine Hinrichtung stoppen und das Todesurteil aufheben.
18-Jährigem droht Hinrichtung
Wie Iran Human Rights am Montag berichtete, haben iranische Gerichte auch Todesurteile gegen zwei weitere Männer im Zusammenhang mit den Protesten gesprochen: Das Revolutionsgericht in der Stadt Sari hat demnach den 18-jährigen Mehdi M. wegen angeblicher “Korruption auf Erden” und “Kriegsführung gegen Gott” für schuldig befunden und ein zweifaches Todesurteil verhängt. Angeblich soll der junge Mann einen Straßenposten der Verkehrspolizei in der Stadt Nowschar im Westen des Landes angezündet haben.
Die Menschenrechtsorganisation HRANA erklärte, Mehdi M. habe seinen Anwalt nicht frei wählen dürfen; sein Geständnis sei unter Folter erzwungen worden.
Mahmood Amiry-Moghaddam, Direktor von Iran Human Rights, sagte der Nachrichtenagentur AFP, der 18-Jährige sei nach allen verfügbaren Informationen die jüngste Person, die im Zusammenhang mit den Protesten zum Tode verurteilt wurde.
Der NGO zufolge wurde auch der iranische Autor Mehdi Bahman zum Tode verurteilt. Er habe keinen Zugang zu einem Anwalt gehabt. Er wurde im Oktober verhaftet, nachdem er das iranische Regime in einem Interview mit einem israelischen Fernsehsender kritisiert hatte.
Mindestens 100 Menschen soll Todesstrafe drohen
Nach Angaben der iranischen Justiz wurden bisher elf Todesurteile in Verbindung mit den Protesten verhängt. Menschenrechtler gehen jedoch von einer höheren Zahl aus. Die NGO Iran Human Rights hatte erst Ende Dezember berichtet, mindestens 100 Menschen drohe die Todesstrafe – die tatsächliche Zahl sei aber vermutlich noch höher.
Amiry-Moghaddam erklärte, die islamische Republik habe die Proteste auch nach mehr als 100 Tagen nicht beenden können. Daher müsse sie nun Angst verbreiten, um ihr Überleben zu sichern.
Zwei Todesurteile im Zusammenhang mit den Protesten wurden im Iran in den ersten beiden Dezemberwochen bereits vollstreckt. Die NGO Iran Human Rights hatte die internationale Gemeinschaft Anfang Dezember aufgefordert, “sofort und mit Nachdruck” auf die Exekutionen zu reagieren – andernfalls sei mit Massenhinrichtungen von Demonstrierenden zu rechnen.
Bereits vor Beginn der Massenproteste Mitte September hatte Amnesty International vor einem erschreckenden Anstieg in der Zahl der Hinrichtungen im Iran gewarnt: Der Iran lasse “systematisch” Menschen exekutieren, die in unfairen Gerichtsverfahren verurteilt wurden. Routinemäßig würden durch Folter erzwungene Geständnisse als Beweismittel verwendet. Alleine im ersten Halbjahr 2022 haben die Behörden Amnesty zufolge mindestens 251 Menschen exekutieren lassen.
Auslöser der seit Monaten anhaltenden Demonstrationen gegen das iranische Regime war der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini. Sie starb im Polizeigewahrsam, nachdem sie wegen angeblichen Verstoßes gegen die islamischen Kleidungsvorschriften verhaftet worden war. Seither gibt es immer wieder Proteste gegen den repressiven Kurs der Regierung und das islamische Herrschaftssystem.
Menschenrechtlern zufolge wurden bei den Protesten inzwischen mehr als 500 Personen getötet; rund 19.000 Demonstrierende sollen festgenommen worden sein.
Am vergangenen Wochenende gingen Sicherheitskräfte in der kurdischen Stadt Dschawanrud im Nordwesten des Landes erneut gewaltsam gegen Teilnehmende einer Trauerfeier für getötete Demonstrierende vor. Während die Straßenproteste in anderen Landesteilen jüngst eher abnahmen, berichteten Iranerinnen und Iraner von einer “bedrohlichen Ruhe” und zunehmender Hoffnungslosigkeit angesichts des gewaltsamen staatlichen Vorgehens und der Wirtschaftslage.
Auch der Kopftuchzwang soll teils wieder strenger verfolgt werden, unter anderem auch durch Videoüberwachung. Erst Anfang September hatte es Berichte gegeben, wonach der Iran den Einsatz von Gesichtserkennung zur Durchsetzung des Kopftuchzwangs plant. (dpa / js)