Iran: Friedensnobelpreisträgerin zu weiterer Haftstrafe verurteilt

Mohammadi im Jahr 2021
Mohammadi war im Jahr 2023 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden – während sie im Gefängnis saß. (Quelle: IMAGO / Middle East Images)

Die iranische Menschenrechtsaktivistin Narges Mohammadi ist im Iran zu einem weiteren Jahr Haft verurteilt worden. Das hat ihr Anwalt am Dienstag bekannt gegeben.

Medienberichten zufolge hat ein Gericht in Teheran die Aktivistin wegen angeblicher “Propaganda gegen den Staat” verurteilt. Vorgeworfen wurden ihr Aufrufe zum Boykott der Parlamentswahlen im März. Außerdem hatte sie Briefe an schwedische und norwegische Abgeordnete geschrieben.

Zudem sei das Urteil gegen Mohammadi mit ihren “Kommentaren über Frau Dina Ghaliba” begründet worden. Die Studentin und freie Journalistin Ghaliba war im April vorübergehend festgenommen worden, nachdem sie in sozialen Medien von sexuellen Übergriffen durch die sogenannte Sittenpolizei bei einer früheren Verhaftung berichtet hatte. Die iranische Justiz hatte angekündigt, sie wegen Falschaussage strafrechtlich zu verfolgen.

Mohammadi hatte sich mit Ghaliba solidarisiert. In einer von ihrer Familie veröffentlichten Audioaufnahme hatte sie iranische Frauen aufgefordert, Misshandlungen durch Sicherheitskräfte öffentlich zu machen.

Prozess boykottiert

Die 52-Jährige ist bereits seit November 2021 im berüchtigten Ewin-Gefängnis in Teheran eingesperrt. Im vergangenen Monat hatte sie gefordert, dass ihr Prozess öffentlich abgehalten wird und Zeugen über “sexuelle Übergriffe des Regimes” gegen Frauen aussagen können. Sie hatte sich geweigert, an der Anhörung hinter verschlossenen Türen teilzunehmen.

Ihre im Exil lebende Familie erklärte, Mohammadi habe in den vergangenen drei Jahren sechs Prozesse vor Revolutions- und Strafgerichten durchlaufen. Sie sei zu Gefängnisstrafen von insgesamt 13 Jahren und drei Monaten sowie 154 Peitschenhieben verurteilt worden. Außerdem müsse sie vier Monate in der Straßenreinigung arbeiten.

Erneut verurteilt

Erst im Dezember war die Aktivistin zu einer weiteren Haftstrafe von 15 Monaten verurteilt worden – ebenfalls wegen angeblicher “Propaganda gegen den Staat”. Das Gericht hatte damals auch entschieden, dass sie sich nach dem Verbüßen ihrer Freiheitsstrafe zwei Jahre lang nicht in der Hauptstadt Teheran niederlassen und das Land nicht verlassen darf. Auch diesen Prozess hatte sie boykottiert und das Urteil wurde in ihrer Abwesenheit gefällt.

Narges Mohammadi setzt sich unter anderem gegen den Kopftuchzwang und die Todesstrafe ein. Für ihr Engagement für Frauenrechte hatte sie im vergangen Jahr den Friedensnobelpreis erhalten.

Bekannt ist Mohammadi auch für ihren Einsatz gegen die Todesstrafe, weshalb sie im Jahr 2015 verhaftet wurde. Menschenrechtsorganisationen beklagen seit langem, dass die Todesstrafe vom Regime als Mittel politischer Unterdrückung eingesetzt wird. Im vergangenen Jahr soll der Staat mindestens 853 Menschen hingerichtet haben.

Aktivismus im Gefängnis

Die Menschenrechtsaktivistin hat ihr Engagement selbst während der Haft nicht eingestellt: Als in Folge des Todes der 22-jährigen Mahsa Amini im Herbst 2022 landesweite Proteste im Iran ausgebrochen waren, drückte Mohammadi ihre Unterstützung für die Demonstrierenden aus und organisierte Solidaritätsaktionen unter ihren Mitgefangenen – worauf die Gefängnisleitung mit strengeren Auflagen reagierte.

Amini war im September 2022 von der sogenannten Sittenpolizei wegen eines angeblich falsch sitzenden Kopftuchs festgenommen worden. Wenige Tage später starb sie – mutmaßlich in Folge von Gewalt durch die Sittenwächter.

Im Dezember 2022 beschrieb Mohammadi in einem Brief an die BBC, wie bei den Demonstrationen festgenommene Frauen in der Haft misshandelt werden.

Erst im April hatten iranische Behörden angekündigt, bei Verstößen gegen die Bekleidungsvorschriften strenger vorgehen zu wollen. Menschenrechtsorganisationen beobachten aber schon länger, dass die iranischen Behörden die Vorschriften verstärkt durchsetzen. Amnesty International hatte im März beispielsweise von massenhaften Polizeikontrollen berichtet – zudem werde der öffentliche Raum umfassend mit Kameras überwacht. (js)