Russland will DNA-Speicherung von Bürgern ausweiten

Reagenzgläser
Die gesammelten DNA-Proben sollen zusammen mit anderen biometrischen Daten in einer zentralen Datenbank gespeichert werden. (Quelle: IMAGO / Panthermedia)

In Russland sollen künftig DNA-Proben von jeder Person genommen werden, die einer Straftat verdächtigt wird. Das berichtet die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) und kritisiert, das “massive Überwachungssystem” des Staates werde damit weiter ausgebaut.

Laut HRW hat der russische Präsident Wladimir Putin das entsprechende Gesetz am Montag unterzeichnet. Vollständig in Kraft treten soll es demnach im Jahr 2025.

Dem Bericht zufolge sieht das Gesetz vor, massenhaft DNA-Proben von Verdächtigen zu sammeln. Auch bei Ordnungswidrigkeiten wie Verkehrsdelikten oder Trunkenheit in der Öffentlichkeit soll dies passieren. Wegen der Teilnahme an “nicht genehmigten” Versammlungen soll die Polizei ebenfalls DNA-Proben sammeln. Im Falle einer Verurteilung sehe das Gesetz vor, die DNA-Profile zeitlich unbegrenzt in der staatlichen Datenbank zu speichern.

Bisher hätten die Behörden nur DNA-Proben von Personen genommen, die wegen Sexualdelikten oder anderen schweren Straftaten verurteilt wurden. Allerdings habe es auch in der Vergangenheit bereits Fälle gegeben, bei denen inhaftierte Aktivisten zur Probenabgabe gezwungen wurden. Laut HRW rechnet die Regierung damit, künftig DNA-Proben von mindestens 1,8 Millionen Menschen pro Jahr zu sammeln.

Keine unabhängige Aufsicht

Biometrische Daten wie DNA-Proben sind besonders sensibel, da sie sich nicht verändern lassen. Menschen können über sie ein Leben lang identifiziert werden. HRW kritisiert, die massenhafte Erfassung von DNA-Profilen sei besonders problematisch, da sie auch Aufschluss über die ethnische Zugehörigkeit und familiäre Verbindungen einer Person geben können. Auch Erbkrankheiten ließen sich anhand der Informationen aufdecken.

Eine pauschale Erfassung von DNA-Daten verstößt laut der Organisation gegen internationale Menschenrechtsgesetze.

Strafverfolgungsbehörden in Russland könnten zudem uneingeschränkt auf die Datenbank zugreifen und die darin gespeicherten Informationen verwenden. Eine unabhängige Aufsicht sei nicht vorgesehen.

Laut HRW wurden in Russland im Dezember 2022 Gesetze verabschiedet, die vorschreiben, alle biometrischen Daten in einer staatlichen Datenbank zusammenzuführen. Die Organisation hatte bereits im vergangenen Jahr gewarnt, anders als die Behörden behaupteten, werde die Sicherheit biometrischer Daten nicht durch eine zentrale Datenbank erhöht. Vielmehr wären von einem Datenleck viele Personen betroffen – mit schweren Folgen.

Human Rights Watch fordert die russische Regierung auf, auf das massenhafte Horten von DNA zu verzichten. Für gespeicherte DNA-Informationen müsse es zeitliche Begrenzungen geben. Außerdem müssten die Behörden regelmäßig prüfen, ob Daten weiter benötigt werden – und den Zugang zu der DNA-Datenbank einschränken.

Einsatz von Gesichtserkennung

Russische Behörden weiten laut HRW auch den Einsatz von Gesichtserkennungstechnologie aus. Bereits in der Vergangenheit hatte die Organisation den Einsatz der Technik in Moskau und anderen Städten kritisiert.

In Moskau kommt Gesichtserkennung bereits seit dem Jahr 2017 zum Einsatz. Die Technik wird dort zur Strafverfolgung verwendet, aber auch zum Fahrkartenkauf in der U-Bahn. Bei der Einführung des Bezahlsystems Ende 2021 hatten Datenschützer gewarnt, die biometrischen Daten könnten auch für Überwachungszwecke missbraucht werden.

HRW zufolge hatten die Moskauer Behörden bei Demonstrationen für den inhaftierten Kremlkritiker Alexei Nawalny bereits Gesichtserkennung verwendet – identifizierte Teilnehmer seien anschließend verhaftet worden. Seit der russischen Invasion in die Ukraine sei die Technik auch genutzt worden, um Menschen aufzuspüren, die sich einer Einberufung entzogen hätten. Auch Menschen die gegen den Krieg protestiert hatten, wurden Berichten zufolge mithilfe von Gesichtserkennung identifiziert.

Bereits im November 2020 hatte die russische Datenschutzorganisation Roskomsvoboda zudem ein Datenleck bei der Moskauer Überwachung dokumentiert: Über den Messenger-Dienst Telegram wurde gegen Geld Zugang zu dem System angeboten. Wer ein Foto einschickte und umgerechnet etwa 175 Euro zahlte, erhielt eine Liste von Adressen, an denen die Überwachungssysteme die Person auf dem Bild erfasst hatten. Eine Roskomsvoboda-Aktivistin hatte testweise ihr eigenes Bild eingereicht und anschließend die Orte erhalten, an denen sie aufgezeichnet worden war. Anhand wiederkehrender Orte ließ sich auch ihr Wohnort nachvollziehen. (js)