Urteil: BND muss keine Auskunft zu Pegasus-Nutzung geben

BND-Gebäude in Berlin
Medien hatten vor drei Jahren über die Pegasus-Nutzung durch den BND berichtet. (Quelle: IMAGO / Schöning)

Der Bundesnachrichtendienst (BND) ist nicht verpflichtet, der Presse Auskünfte über Erwerb und Einsatz der Spähsoftware Pegasus zu geben. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig Ende vergangener Woche entschieden.

Der Chefredakteur der Online-Rechercheplattform “FragDenStaat”, Arne Semsrott, hatte den BND im August 2023 verklagt. Er verlangte Auskunft darüber, ob der Geheimdienst die Spähsoftware Pegasus gekauft hat. Sollte dies zutreffen, wollte der Kläger zudem wissen, wie häufig die Spionagesoftware in den vergangenen Jahren verwendet wurde – und ob sie auch weiterhin zum Einsatz kommt.

Der Auslandsgeheimdienst hatte zuvor einen entsprechenden Antrag auf Auskunft mit der Begründung abgelehnt, grundsätzlich nicht öffentlich Stellung zu Angelegenheiten zu nehmen, die etwaige nachrichtendienstliche Erkenntnisse und Tätigkeiten betreffen.

Keine Auskunft

Das Bundesverwaltungsgericht hat nun dem BND recht gegeben. Es erklärte zwar, der Kläger könne sich auf das Grundrecht der Pressefreiheit berufen – es komme nicht darauf an, ob seine publizistische Tätigkeit im Rahmen von Printmedien oder der digitalen Presse erfolgt. Den erbetenen Auskünften stünden aber überwiegende öffentliche Interessen entgegen.

Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts hat der BND plausibel dargelegt, dass die erwünschten Auskünfte seine Funktionsfähigkeit beeinträchtigen könnten. Die Fragen zielten auf die Offenlegung seiner aktuellen nachrichtendienstlichen Arbeitsweise und Methodik ab. Dadurch könnten mittelbar operative Vorgänge gefährdet werden – und die Informationen könnten auch für ausländische Geheimdienste von bedeutendem Interesse sein.

Pegasus wird von dem israelischen Unternehmen NSO Group entwickelt, das sie eigenen Angaben zufolge nur an staatliche Stellen verkauft. Diese können damit Smartphones komplett übernehmen und beispielsweise Chats mitlesen sowie Telefongespräche abhören. Auch der Standort der Geräte lässt sich verfolgen und Kamera und Mikrofon lassen sich unbemerkt eingeschalten. IT-Sicherheitsforschern zufolge gelangt Pegasus auch über sogenannte Zero-Click-Angriffe auf die Geräte – also ohne, dass Betroffene davon etwas mitbekommen oder sie die Infektion selbst durch Klick auf einen Link auslösen müssen.

Pegasus auch bei deutschen Behörden

Recherchen von NDR, WDR, Süddeutscher Zeitung und Zeit hatten im Jahr 2021 ergeben, dass offenbar auch der BND Pegasus im Ausland einsetzt. Das Kanzleramt unter der damaligen Großen Koalition sei eingeweiht und habe den Einsatz gebilligt. Dem Parlamentarischen Kontrollgremium, das auch für die Kontrolle des BND zuständig ist, soll der Einsatz den Medien zufolge hingegen zunächst verschwiegen worden sein.

Genauere Details zum Pegasus-Einsatz durch den BND waren nicht an die Öffentlichkeit gelangt – BND und Kanzleramt hatten auch damals keine Auskunft gegeben.

Zuvor war bereits bekannt geworden, dass das Bundeskriminalamt (BKA) Pegasus im Herbst 2020 erworben hat. BKA-Vizepräsidentin Martina Link hatte das dem Innenausschuss bestätigt. Demnach soll das BKA über eine modifizierte Pegasus-Variante verfügen, die an deutsches Recht angepasst wurde – weil die Standardversion der Spähsoftware mehr kann, als in Deutschland erlaubt sei.

Seit Jahren Kritik an Pegasus

Kritik kam damals unter anderem vom Bundestagsabgeordneten Konstantin von Notz (Grüne). Er bezeichnete Pegasus als einen “Traum für Diktaturen” und einen “Alptraum für den Rechtsstaat” und erklärte, es sei “hoch problematisch, wenn eine deutsche Behörde ein solches Instrument der totalen Überwachung anschafft”.

Pegasus ist besonders umstritten, weil die Überwachungssoftware wiederholt mit Menschenrechtsverstößen in Verbindung gebracht wurde. Recherchen der Menschenrechtsorganisation Amnesty International und internationaler Medien hatten im Sommer 2021 gezeigt, wie mit Pegasus weltweit Smartphones von Medienschaffenden, Aktivisten und Oppositionellen überwacht wurden.

NSO und Pegasus standen aber auch vor diesen Enthüllungen bereits in der Kritik, Menschenrechtsstandards nicht einzuhalten. Menschenrechtsexperten fordern seit langem ein Moratorium für solche Produkte.

Die USA hatten im November 2021 Sanktionen gegen NSO verhängt. Die US-Regierung hat auch die Nutzung kommerzieller Spähsoftware durch ihre Behörden eingeschränkt.

Zu dem nun ergangenen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sagte der Kläger Arne Semsrott, das “antiquierte Presseverständnis von vielen Behörden und Gerichten” habe nun ein Ende – es sei längst überfällig, dass Online- und Printmedien die gleichen Rechte besitzen. Aber: “Dass der Bundesnachrichtendienst sich dennoch aus der Affäre ziehen kann und weiter dazu schweigt, ob er die umstrittene Pegasus-Software einsetzt, ist enttäuschend.” (js)