Hongkong: Weitere unabhängige Nachrichtenseite muss schließen
Erneuter Rückschlag für die Pressefreiheit in Hongkong: Die regierungskritische Nachrichtenseite CitizenNews stellt den Betrieb ein. Die Redaktion erklärte am Sonntagabend (Ortszeit), die “Sicherheit und das Wohlergehen aller Beteiligten” müsse gewährleistet werden.
“Mit schwerem Herzen” teilte CitizenNews mit, die Nachrichtenseite werde ab dem morgigen 4. Januar nicht mehr aktualisiert und anschließend abgeschaltet. Das Umfeld für Medien in Hongkong habe sich in den vergangenen zwei Jahren verschlechtert. “Leider können wir unsere Überzeugungen nicht mehr angstfrei in die Tat umsetzen”, erklärte CitizenNews.
Chris Yeung, leitender Redakteur bei CitizenNews, sagte, Anlass für die Entscheidung sei das harte Vorgehen der Behörden gegen die unabhängige Nachrichtenseite Stand News gewesen. CitizenNews könne nicht mehr abschätzen, wo die “rechtlichen Grenzen” liegen – es sei nicht auszuschließen, dass Berichte aus den vergangenen Jahre gegen Gesetze in Hongkong verstoßen. Die 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würden entlassen. Er fügte hinzu, das Unternehmen sei nicht von den Sicherheitsbehörden kontaktiert worden. Und weiter: “Journalisten sind auch Menschen. Sie haben auch Familie und Freunde – es ist sehr schwer, so weiterzumachen.”
Erst in der vergangenen Woche hatte die prodemokratische Online-Zeitung Stand News den Betrieb eingestellt, nachdem die Polizei aktuelle und ehemalige Mitarbeitende verhaftet und die Redaktionsräume durchsucht hatte.
Kaum noch unabhängige Medien
CitizenNews wurde im Jahr 2017 von einer Gruppe Journalisten vor dem Hintergrund “wachsender Sorge um die Pressefreiheit in Hongkong” gegründet. Im vergangenen Jahr hatte die Publikation auch damit begonnen, ein eigenes TV-Programm zu produzieren.
Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) hatte Anfang Dezember einen Bericht zur Pressefreiheit in China und Hongkong veröffentlicht: Darin wurden CitizenNews und Stand News noch als zwei von vier verbliebenen Publikationen in Hongkong genannt, die sich der chinesischen Zensur widersetzen – Hong Kong Free Press und InMedia publizieren weiterhin. Eine weitere Online-Publikation, Initium Media, hatte ihr Büro im August 2021 zudem von Hongkong nach Singapur verlegt, um dem Druck der Behörden zu entgehen.
Auf Anfrage von Posteo kritisierte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr: “Leider tritt in Hongkong genau das ein, wovor wir gewarnt haben. Die Regierung von Carrie Lam lässt unabhängigen Medien keine Luft zum Atmen. Entweder lässt sie Redaktionen schließen und Medienschaffende festnehmen wie kürzlich bei Stand News, oder sie zwingt sie indirekt zur Aufgabe wie im Fall CitizenNews. Dass beides innerhalb von wenigen Tagen geschehen ist, bereitet uns große Sorgen.”
Behörden gehen gegen Aktivisten und Journalisten vor
Bereits im Juni 2021 hatte die regimekritische Zeitung Apple Daily schließen müssen. Das Medium war wegen angeblicher Verstöße gegen das umstrittene Hongkonger Sicherheitsgesetz ins Visier der Behörden geraten. Der Zeitungsgründer Jimmy Lai sitzt seit Dezember im Gefängnis und war schon zuvor mehrfach festgenommen worden.
Das im Juni 2020 in Kraft getretene Sicherheitsgesetz erlaubt es den Behörden, gegen Aktivitäten vorzugehen, die von Peking als umstürzlerisch, separatistisch, terroristisch oder verschwörerisch angesehen werden und zielt damit auf Kritiker der Hongkonger Regierung und der chinesischen Führung. Mehr als 100 Aktivisten wurden seit Inkrafttreten festgenommen oder warten auf ihren Prozess. Aus Angst vor Strafverfolgung haben sich viele Oppositionsmitglieder ins Ausland abgesetzt.
Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hatte Ende Oktober angekündigt, sich als Reaktion auf das Sicherheitsgesetz aus Hongkong zurückzuziehen. Das Gesetz habe es für Menschenrechtsorganisationen “praktisch unmöglich gemacht, frei und ohne Angst vor ernsthaften Repressalien durch die Regierung zu arbeiten”.
Auf der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit von RSF steht Hongkong auf Platz 80 von 180 Staaten. Als die Rangliste 2002 eingeführt wurde, belegte Hongkong noch Platz 18 von damals 139 bewerteten Ländern. (dpa / js)