Afghanistan: Anhaltende Repressionen gegen Medien
Die radikalislamischen Taliban setzen ihre Repressionen gegen Medien in Afghanistan fort. Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) äußert Sorge über Festnahmen, die Razzia bei einem TV-Sender und Blockaden von Nachrichtenseiten.
Wie das Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) berichtet, haben die Taliban Medien in der südlichen Provinz Helmand seit vergangenem Dienstag verboten, Fotos und Videos aufzunehmen und zu verbreiten. Das Verbot erstrecke sich auch auf von den Taliban selbst geführte Einrichtungen wie die Nachrichtenagentur Bakhtar. Ob die Veröffentlichung von Texten in der Provinz noch erlaubt sei, hätten die Taliban nicht klargestellt, so das CPJ.
Carlos Martinez de la Serna vom CPJ kritisierte: “Die strengen Einschränkungen, die die Taliban den Medien in den Provinzen Helmand und Parwan auferlegt haben, spiegeln eine alarmierende Eskalation der Informationskontrolle wider.”
In der Provinz Parwan seien Medien angewiesen worden, sich an die Berichterstattung der Bakhtar-Nachrichtenagentur zu halten – jegliche unabhängige journalistische Arbeit werde unterdrückt.
Razzia bei TV-Sender
Auch in anderen Landesteilen gehen die Taliban weiter gegen unabhängige Medien vor, wie Reporter ohne Grenzen berichtet. Demnach haben bewaffnete Taliban am 14. Februar den Hauptsitz des unabhängigen Fernsehsenders Tamadon TV in Kabul gestürmt. Die anwesenden Mitarbeitenden wurden festgehalten. Einige von ihnen seien geschlagen und beleidigt worden. Laut RSF warfen die Taliban ihnen vor, Informationen zu verbreiten, “die den Interessen des Islamischen Emirats widersprechen”. Bei ihrem Abzug hätten die Kämpfer außerdem zwei Fahrzeuge des Senders konfisziert.
Der genaue Grund für die Razzia ist laut RSF weiterhin unklar. Ein Mitarbeiter sagte gegenüber der Organisation, dass “die Leben der Tamadon-Journalistinnen und Journalisten in großer Gefahr sind”. Er selbst lebe nicht mehr in seinem eigenen Haus.
Zuvor hatten die Taliban Tamadon TV bereits davor gewarnt, die Machthaber zu kritisieren.
“Eskalation der Schikanen”
RSF-Geschäftsführer Christian Mihr erklärte: “Anders als nach ihrer Machtübernahme versprochen, halten sich die Taliban nicht an die Mediengesetze, die eine freie Berichterstattung garantieren. Wie zuletzt die Razzia gegen Tamadon TV und die neuesten Verhaftungen gezeigt haben, wird das Land für Medienschaffende immer gefährlicher. Die Taliban versuchen immer wieder, durch Einschüchterung kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen.” Die Taliban müssten die Mediengesetze respektieren und alle inhaftierten Medienschaffenden freilassen.
Die Organisation wertet die Razzia bei Tamadon TV als Teil einer “weiterreichenden Eskalation der Schikanen gegen Medienmitarbeitende”. So sei Qotratullah Tarar, Journalist beim Sender Zarghoon TV, am 11. November 2022 verhaftet worden. Innerhalb weniger Wochen sei es dann zu weiteren Festnahmen gekommen: Am 7. Januar wurde der französisch-afghanische Journalist Mortaza Behboudi verhaftet und nur zwei Tage später Khairullah Parhar, der für den Radio- und Fernsehsender Enikass berichtet. In der vergangenen Woche wurde außerdem Mohammad Yaar Majroh, Journalist beim TV-Sender ToloNews, festgenommen. Nach sechs Tagen sei er wieder freigelassen worden – die anderen Journalisten sitzen laut RSF weiterhin in Haft.
Um Medien zu zensieren, setzen die Taliban inzwischen auch auf Netzsperren: Vor zwei Wochen hatten Radio Azadi – afghanischer Ableger des von den USA finanzierten Senders Radio Free Europe/Radio Liberty – sowie der Sender Voice of America bekanntgegeben, dass ihre Internetseiten in Afghanistan nicht mehr erreichbar sind. Dabei soll es sich um eine von den Taliban angeordnete gezielte Blockade der Webseiten handeln – über VPN-Dienste seien diese weiter erreichbar.
Im vergangenen Dezember hatten die Taliban schon ein Sendeverbot gegen die beiden Medien ausgesprochen.
Bereits im Oktober 2022 hatten die Taliban außerdem die Internetseite des Nachrichtenportals Zawia Media sowie der Zeitung Hasht-e-Subh sperren lassen. Die Zeitung existiert seit 2007, hatte ihre Printausgabe nach der Machtübernahme durch die Taliban jedoch eingestellt. RSF hatte die Blockade als “neue Phase” des Vorgehens gegen die Pressefreiheit durch die Taliban bezeichnet.
Vorgehen gegen Frauenrechte und Pressefreiheit
Seit die Taliban die Macht in Afghanistan im August 2021 übernommen haben, hat sich die Menschenrechtslage dramatisch verschlechtert. Viele Medien haben inzwischen ihre Arbeit eingestellt. Laut RSF werden die Printmedien uneingeschränkt von den Taliban kontrolliert.
Neben der Pressefreiheit hat die neue Regierung vor allem Frauenrechte massiv eingeschränkt. Mädchen und Frauen wird beispielsweise der Zugang zu Bildung verweigert. Auch aus der Medienlandschaft wurden Frauen verdrängt. Einer Erhebung von RSF aus dem August 2022 zufolge haben gut 76 Prozent aller Journalistinnen in Afghanistan ihren Arbeitsplatz verloren oder aus Angst vor den Taliban aufgegeben. In elf der 34 afghanischen Provinzen arbeiten überhaupt keine Frauen mehr in den Medien, hatte die Organisation damals mitgeteilt.
Durch die humanitäre und wirtschaftliche Krise hatten nach jüngsten Angaben der NGO Ärzte ohne Grenzen 95 Prozent der Afghaninnen und Afghanen im vergangenen Jahr Schwierigkeiten, sich Grundnahrungsmittel zu leisten. (js)