EU-Staaten: Ab 2035 nur noch klimaneutrale Neuwagen
Die EU-Länder konnten sich nicht auf ein konsequentes Verkaufsverbot von Neuwagen mit Verbrennermotor einigen. Stattdessen sollen ab dem Jahr 2035 nur noch neue Autos verkauft werden dürfen, die klimaneutral betrieben werden. Darauf haben sich die Umweltminister der 27 EU-Staaten in der Nacht zum Mittwoch geeinigt. Diese Entscheidung lässt die Möglichkeit offen, künftig Verbrennermotoren mit synthetischen E-Fuels zu betreiben.
Ein finaler Kompromiss muss nun mit dem EU-Parlament ausgehandelt werden, das ein komplettes Aus für neue Autos mit Verbrennungsmotor ab 2035 will. Die EU-Kommission hatte schon im vergangenen Jahr einen Vorschlag gemacht, der ein Verbrenner-Aus ab 2035 beinhaltete.
Die EU-Staaten hingegen sprachen sich dafür aus, nur die sogenannten Flottengrenzwerte für Autos bis 2035 auf null zu senken. Diese Grenzwerte sind Vorgaben für die Hersteller, wie viel CO2 ihre produzierten Autos und Transporter im Betrieb ausstoßen dürfen. Damit dürften ab 2035 keine herkömmlich – mit Benzin oder Diesel – betriebenen Neuwagen mit Verbrennungsmotor mehr verkauft werden.
Umweltverbände sind unzufrieden mit dieser Entscheidung der EU-Staaten. Kritisiert wurde vor allem, dass Verbrenner-Autos nach 2035 eine Zukunft mit umstrittenen E-Fuels haben sollen. “E-Fuels sind eine Scheinlösung, sie sind ineffizient, nicht automatisch klimaneutral und werden auf absehbare Zeit teuer sowie begrenzt verfügbar bleiben”, kritisierte Antje von Broock, Geschäftsführerin des BUND, am Mittwoch.
Der geschäftsführende Greenpeace-Vorstand Martin Kaiser sprach von einem “Luftschloss” und einem verwässerten Verbrenner-Ausstieg.
FDP kämpft für Verbrenner
Die Bundesregierung hatte erst während der laufenden Verhandlungen einen internen Kompromiss gefunden. Nach Angaben eines Regierungssprechers vom Dienstag hat die EU-Kommission zugesagt, einen Vorschlag zu unterbreiten, wie nach 2035 nur mit klimaneutralen Kraftstoffen betriebene Fahrzeuge zugelassen werden können. “Das bezieht sich nach dem gemeinsamen Verständnis der Bundesregierung auch auf Pkw und leichte Nutzfahrzeuge.”
Die FDP wollte keinem De-Facto-Verbrenner-Aus zustimmen und hatte darauf gepocht, nach 2035 auch Verbrenner-Autos zuzulassen, wenn sie CO2-neutral betrieben werden.
Entsprechend hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) die Entscheidung auf EU-Ebene zur Zukunft des Verbrenners begrüßt und die Kritik von Umweltverbänden am Einsatz von E-Fuels zurückgewiesen. Die FDP habe aber keinen Zweifel an der Attraktivität der Elektromobilität.
Teure, ineffiziente E-Fuels
Der Branchenverband der Autohersteller VDA und der Autoimporteurverband VDIK bemängelten am Mittwoch, dass es in Europa nach wie vor nicht genügend Ladestationen für Elektroautos gibt. “Zu E-Fuels scheint es nur für eine Absichtserklärung gereicht zu haben, deren Umsetzung offen ist”, sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller.
“Wir hätten uns ein noch klareres Bekenntnis zum batterieelektrischen Antrieb gewünscht”, sagte BUND-Geschäftsführerin von Broock. Das hätte auch der Automobilindustrie mehr Planungssicherheit gegeben. “Es ist unverständlich, warum die FDP hier so vehement für Einzelinteressen eintritt. Sollte nach 2035 die Zulassung neuer Pkw mit Verbrennungsmotor möglich sein, kann das zu unnötigen Fehlinvestitionen führen.”
Greenpeace-Vorstand Kaiser sagte: “Es ist es ein wichtiges Signal, dass die EU klimaschädlichen Verbrennern ein klares Enddatum setzt, aber dieses Verbot kommt viel zu spät, um das 1,5-Grad-Ziel im Verkehr zu erreichen und Europas Abhängigkeit vom Öl schnell zu beenden.”
“Ärgerlich ist, dass die EU sich nun weiter mit der Scheinlösung ineffizienter und teurer E-Fuels beschäftigen muss, die im Pkw-Markt nichts verloren haben”, so Kaiser weiter. Das “Luftschloss” E-Fuels bremse den anstehenden Umbau der Autoindustrie, führe Verbraucherinnen und Verbraucher in die Irre und werfe den Klimaschutz zurück.
Weniger kostenlose CO2-Zertifikate
Die Umweltminister der EU-Länder einigten sich in der Nacht zudem auf weitere Maßnahmen zum Klimaschutz:
Im Rahmen des Emissionshandels muss für den Ausstoß klimaschädlicher Gase wie CO2 gezahlt werden. Die EU-Länder planen nun, kostenlose Zertifikate für bestimmte Unternehmen schrittweise zwischen 2026 und 2035 abzuschaffen. Zum Ende des Zeitraums soll die Reduktion schneller erfolgen. Das EU-Parlament hatte sich dafür ausgesprochen, diese Vergabe ab 2027 nach und nach auslaufen und dann schon ab 2032 ganz entfallen zu lassen.
Das System soll nun auf das Heizen von Gebäuden und den Verkehr ausgeweitet werden. Diese Entscheidung wurde teils heftig diskutiert, weil befürchtet wird, dass die Verbraucherpreise fürs Heizen und Fahren weiter steigen könnten.
In Deutschland und anderen EU-Staaten gibt es für diese Bereiche bereits einen CO2-Preis. Die Zahlungspflicht für den Ausstoß klimaschädlicher Gase galt bisher nur für die Industrie. Die EU-Parlamentarier sind dafür, dass zunächst nur bei gewerblichen Gebäuden und Verkehr bezahlt werden muss, wenn CO2 ausgestoßen wird.
Deutschland bremst beim Sozialfonds
Da für Verbraucher höhere Kosten während der Energiewende anfallen könnten wie höhere Heizkosten, soll nach dem Willen der Umweltminister ein Klimasozialfonds eingerichtet werden. Damit sollen betroffene Haushalte entlastet und langfristige Investitionen finanziert werden, zum Beispiel in effizientere Gebäude.
Auch hier könnte es jedoch Unstimmigkeiten mit dem Parlament geben. Der Fonds soll durch Einnahmen aus dem Emissionshandel finanziert werden. Nach Schätzungen des Parlaments könnten so bis zu 72 Milliarden Euro bis 2032 zusammenkommen – die EU-Länder haben sich jedoch für einen kleineren Fonds von rund 59 Milliarden Euro eingesetzt.
Insbesondere Deutschland hatte dafür plädiert, den Fonds zu verkleinern. Ein zu kleiner Klimasozialfonds war am Ende auch für mehrere EU-Länder ein Grund, gegen das Paket zu stimmen. Für den Beschluss brauchte es aber keine Einstimmigkeit.
Eingeschränkter Schutz für Wälder
Die Minister einigten sich zudem auf Regeln, um Wälder und Moore als natürliche CO2-Speicher zu schützen und zu vergrößern. Ziel ist es, so bis Ende des Jahrzehnts 310 Millionen Tonnen CO2 zu binden.
Es gab auch eine Einigung zu Regeln gegen Entwaldung entlang von Lieferketten. Händler und Produzenten müssen demnach überprüfen, ob Waren aus kurz zuvor abgeholzten Gebieten stammen. Das soll für Palmöl, Rindfleisch, Holz, Kaffee, Kakao und Soja gelten. Auch Waren, die daraus produziert werden, etwa Schokolade oder Möbel, sind betroffen. Das Parlament muss sich zu letzterem Vorhaben noch festlegen.
Umweltschutz- und Menschenrechtsorganisationen hatten kritisiert, dass unter anderem für Kautschuk eine Ausnahme vorgesehen ist und der Rohstoff auch weiterhin aus abgeholzten Gebieten in die EU importiert werden dürfte.
Im nächsten Schritt müssen nun die EU-Staaten und das Europaparlament gemeinsam über die Gesetze verhandeln. Sie müssen sich auf eine gemeinsame Position einigen. (hcz)