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Facebook-Bericht: Zu wenig Engagement für Bürgerrechte

Erstellt am 10.Juli 2020, 16:11 Uhr | Kategorie: News

Das Ergebnis einer Untersuchung fällt für Facebook durchwachsen aus: Das Netzwerk unternimmt zu wenig gegen Manipulation, Hass und Diskriminierung.

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Laut Bericht sind sowohl Aktivisten als auch Politiker und Werbepartner unzufrieden mit dem Verhalten Facebooks.

Facebook steht wegen seines Umgangs mit Hasskommentaren bereits seit Wochen in der Kritik: Der nun veröffentlichte Abschlussbericht einer zweijährigen Untersuchung wird die Kontroverse weiter anheizen.

In dem 90-seitigen “Facebook’s Civil Rights Audit” kommen die Autorinnen und Autoren zu dem Schluss, dass Facebook nicht genug unternimmt, um Bürgerrechte zu schützen und Diskriminierung zu verhindern. Dem Konzern fehle es an der nötigen Infrastruktur. Außerdem seien manche Entscheidungen entgegen anderslautender Empfehlungen von Bürgerrechtlern getroffen worden.

Die Untersuchung hatte die Bürgerrechtlerin Laura W. Murphy zusammen mit einem Team der Anwaltskanzlei Relman Colfax durchgeführt, das von der Bürgerrechtsanwältin Megan Cacace geleitet wurde. Facebook selbst hatte die Studie in Auftrag gegeben. Die Untersuchung soll dennoch unabhängig verlaufen sein.

Bürgerrechtler und Politiker sind enttäuscht

Untersucht wurden Facebooks Umgang mit Wählermeinungen und der Information von Wählern, der verantwortungsvolle Umgang mit Bürgerrechten und einer Infrastruktur, die diese schützt, die Moderation der Plattform (inklusive Umgang mit Hass und Belästigung), personalisierte Werbung, Diversität und Inklusion, Fairness der Algorithmen – sowie die Auswirkungen des Datenschutzes bei Facebook auf die Bürgerrechte.

Für die Themenfindung hatten die Autoren Interviews mit über 100 Bürgerrechts- und Gleichberechtigungsorganisationen und mehreren Hundert Anwälten und Mitgliedern des US-Kongresses geführt. Die Gesprächspartner wünschten sich, dass Facebook sich diesen Themen stärker widmen sollte.

Laut Bericht hat das Unternehmen bereits in vielen Bereichen spürbare Maßnahmen ergriffen, die aber vielen Kritikern nicht weit genug gehen. So hat Facebook beispielsweise Anfang 2019 ein neues Werbesystem eingeführt. Seither darf beispielsweise Werbung für Immobilien, Arbeit oder Kredite nicht mehr auf das Alter, das Geschlecht oder die Postleitzahl der Nutzerinnen und Nutzer zugeschnitten sein (Targeted Advertising). Um Wähler besser zu schützen und koordinierte Eingriffe in Wahlen zu verhindern, hat Facebook außerdem Gewaltdrohungen im Zusammenhang mit Abstimmungen, Wählerregistrierungen oder Wahlergebnissen verboten. Dies soll auf Drängen der Autoren hin geschehen sein.

Das hatte viele der Interviewpartner zu der Hoffnung verleitet, Facebook würde sich künftig mit “Rat und Tat” zu den Bürgerrechten bekennen. Aus Sicht der Autoren agierte Facebook aber zu reaktionär und zu zögerlich. Die Enttäuschung der Kritiker war dann umso größer: Nach Jahren des Engagements und Einwirkens zeigten sich Bürgerrechtsvertreter entmutigt, frustriert und wütend über Facebooks fehlendes Engagement. Die Frustration über Facebook sei derzeit auf dem höchsten Niveau seit der Gründung des Unternehmens.

Konkret fordern die Kritiker unter anderem: Eine stärkere Durchsetzung des Wählerschutzes, eine höhere Priorisierung der Bürgerrechte bei Unternehmensentscheidungen, größere Anstrengungen gegen organisierten Hass sowie gegen Verzerrung und Diskriminierung durch Algorithmen.

Facebook sträubt sich

Das soziale Netzwerk reagiert bislang nur sehr zögerlich oder gar nicht auf die immer wiederkehrende Kritik. Mark Zuckerberg hatte die Passivität des Konzerns stets mit der Wahrung der Meinungsfreiheit verteidigt. Vor der Veröffentlichung des Berichts kündigte Co-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg nun allerdings Änderungen auf der Plattform an – und dankte den Autorinnen.

Sandberg betonte zudem, dass die geplanten Reformen aufgrund des vorliegenden Berichts vorgenommen würden und nicht wegen des Werbeboykotts, den über 160 Unternehmen aus Protest gegen die Uneinsichtigkeit Facebooks eingeleitet hatten. Die Geschäftsführerin schrieb: “Wir verändern Dinge nicht wegen finanzieller Gründe oder aufgrund des Drucks von Werbekunden, sondern weil es das Richtige ist.”

Werbeboykott

In den vergangenen Wochen hatten sich immer mehr Firmen dem Aufruf zum Werbeboykott angeschlossen. Sie wollten auf diese Weise Facebook unter Druck setzen, entschlossener gegen Hass und sogenannte Fake News vorzugehen. Zu den Protestierenden gehörten weltweit agierende Konzerne wie Coca-Cola, Volkswagen, SAP und Unilever.

Nach einer Videokonferenz zwischen Facebooks Geschäftsführung und den involvierten Konzernen zeigten sich letztere laut des US-amerikanischen Fernsehsenders CNBC enttäuscht. Die Firmen beklagten im Anschluss, dass auf die Worte der Verantwortlichen keine Taten folgten. (hcz)