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Fake News: Von Ramses zu Facebook

Erstellt am 16.Juni 2020, 13:39 Uhr | Kategorie: News

Seit dem Beginn der Corona-Krise werden zunehmend Fake News im Netz verbreitet. Auch wenn das Phänomen heutzutage häufig mit sozialen Netzwerken in Verbindung steht, ist es schon Jahrtausende alt – und der Begriff problematisch.

Fake News
Heutzutage verbreiten sich Fake News eher über soziale Netzwerke, als über gedruckte Zeitungen. (Quelle: Pixabay)

Bill Gates strebt die Weltherrschaft an und russische Nachrichtenseiten behaupten, das Coronavirus sei als Biowaffe konzipiert worden. Hinzu kommen viele andere fragwürdige Nachrichten rund um Corona: Etwa, Bier helfe gegen das Virus – eindeutig Fake News. Spätestens seit der US-Präsidentschaftswahl 2016 sind Fake News ein fester Bestandteil unserer Nachrichtenwelt.

Hinter Fake News und Desinformationskampagnen verbergen sich gezielte Falschmeldungen. Häufig setzen sie bei Themen an, die gerade eine große mediale Präsenz haben und zu denen Menschen nach Informationen suchen; beispielsweise die Corona-Krise oder eine Wahl. So haben gezielte Fake News einen wahren Kern, verdrehen aber die Fakten oder dichten etwas hinzu oder reißen Zitate aus dem Zusammenhang, um die angeblichen Fakten zu untermauen. Dabei sind sie so gestaltet, dass sie Ängste schüren und versuchen den Eindruck zu vermitteln, etwas zu berichten, was etablierte Medien oder die Politik verschweigen wollen. Gerade wenn Fake News in den sozialen Netzwerken auftauchen oder über Messenger-Dienste verbreitet werden, wird zudem betont, wie wichtig es sei, sie zu teilen – sie also weiterzuverbreiten.

Fake News haben Konsequenzen

Ein bekanntes Beispiel für Fake News ist “Pizzagate”, während des US-Wahlkampfs 2016. Die Nachricht über einen angeblichen Kinderschänderring mit Verbindung zu Hillary Clinton führte dazu, dass ein bewaffneter Mann sich auf den Weg machte, die angeblich gefangenen Kinder zu befreien.

In Deutschland verbreitete sich nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt im Jahr 2016 ein Foto: Angeblich habe der Attentäter ein Selfie mit Bundeskanzlerin Angela Merkel aufgenommen. Doch auf dem Foto war nicht der Attentäter zu sehen, sondern ein unbeteiligter Mann. Medien hatten das zwar schnell richtiggestellt, doch über Facebook wurde die falsche Nachricht lange massenhaft geteilt – sodass der Betroffene deswegen letztlich vor Gericht zog.

Aktuell machen Fake News vor allem im Zusammenhang mit der Corona-Krise die Runde. Darunter etwa auch die Meldung, Microsoft-Gründer Bill Gates stecke hinter der Pandemie, um Impfstoffe zu verkaufen. Außerdem plane Gates die Weltherrschaft. Als Basis für die Behauptung dienen Gates frühere Warnungen vor Pandemien als Gefahr für die Menschheit. In den entsprechenden Fake News heißt es, Gates wolle alle Menschen mit einem Chip versehen. Laut New York Times zählen die Falschinformationen rund um Gates zu den am meisten verbeitesten Fake News in der Corona-Krise. In Deutschland beruft sich beispielsweise der Koch Attila Hildmann auf diese Behauptungen. Dieser hatte sogar angekündigt, sich mit Waffengewalt und wenn nötig bis zum Tod, wehren zu wollen – wenngleich unklar blieb, gegen wen oder was er genau kämpfen möchte.

Fake News sind ein altes Phänomen

Ramses II
Nach der Niederlage in Kadesch verkündete Pharao Ramses II. dennoch den Sieg. (Quelle: Dominik Knippel – CC BY-SA 3.0)

Doch selbst wenn Fake News heutzutage vermehrt im Mittelpunkt stehen: Sie sind ein altes Phänomen und Problem. Dokumentiert ist eine falsche Nachricht bereits aus dem 13. Jahrhundert v. Chr.: Pharao Ramses II. hatte die Schlacht gegen die Hethiter bei Kadesch verloren. Zurück in Ägypten hatte der Pharao dennoch den Sieg verkündet und ließ ihn in Stein meißeln.

Um Propaganda im heutigen Sinne soll es sich dabei noch nicht gehandelt haben, sagen Wissenschaftler. Unter anderem, da diese Aufzeichnungen keiner breiten Öffentlichkeit zugänglich waren. Trotzdem war es eine gefälschte Nachricht – eine Fake News.

Fake News als Mittel in der amerikanischen Revolution

Der amerikanische Gründungsvater Benjamin Franklin wusste 1782 offenbar genau, was sich mit falschen Nachrichten erreichen lässt. Während seiner Zeit in Paris hatte Franklin eine Ausgabe der tatsächlich existierenden Zeitung Independent Chronicle fälschen lassen. Darin war eine frei erfundene Nachricht über amerikanische Ureinwohner abgedruckt: Diese hätten für den britischen König amerikanische Soldaten skalpiert. Ein gefälschter Brief einer echten Person hatte die Geschichte vervollständigt.

Um die Unterstützung für die amerikanische Unabhängigkeit soll es hierbei nicht mehr gegangen sein. Vielmehr um die Frage: Wer ist für und wer ist gegen die neue Republik? Andere Zeitungen sollen die Geschichte anschließend übernommen und als Fakt nacherzählt haben. Franklin war sich der Wirkung durchaus bewusst: “Durch die Presse können wir zu Nationen sprechen”, schrieb er später in einem Brief. Man könne ein Feuer so weiter lodern lassen.

Fledermaus-Menschen auf dem Mond

Great Moon Hoax
llustration aus dem vierten Artikel über den “Great Moon Hoax”. (Quelle: Public Domain)

Der “Great Moon Hoax” aus dem Jahr 1835 ist ebenso überliefert. Die “Sun” aus New York hatte die mehrteilige Geschichte veröffentlicht. Ein Astronom habe mit einem gigantischen Teleskop Leben auf dem Mond entdeckt: Fledermausmenschen. So albern der Gedanke an diese Kreaturen wirken mag: Der “Great Moon Hoax” soll die Auflage gesteigert und der “Sun” zum Erfolg verholfen haben. Erst Wochen später enthüllte ein anderer Journalist den Schwindel.

Der Vergleich zwischen den Mondbewohnern, Ramses und Franklin macht schnell deutlich, in welch unterschiedlichem Gewand falsche Nachrichten daherkommen. Zumindest aus heutiger Sicht ist der “Great Moon Hoax” schnell als frei erfunden enttarnt.

Anders bei Franklins Geschichte: Einige Ureinwohner unterstützten tatsächlich die Briten. Eine solche Meldung als Lüge zu entlarven, gestaltet sich also als schwieriger. Erst recht in einer Zeit ohne Internet und die damit verbundenen Recherchemöglichkeiten.

Fake News als Teil der Propagandamaschinerie

Ein solches Vorgehen begegnet uns in der Geschichte immer wieder – im großen Stile organisiert vor allem im 20. Jahrhundert. So haben Regierungen in beiden Weltkriegen umfangreich auf Propaganda und Fake News gesetzt, um die Massen für ihr Vorgehen zu begeistern. Bestandteil der Propagandamaschinerie waren die Medien, die instrumentalisiert wurden, um entsprechende Falschinformationen zu streuen.

Volksempfänger
Der “Volksempfänger” war ein wichtiges Element der Nazi-Propaganda. (Quelle: Dirk Becker – CC BY-SA 3.0)

So hatten die Nazis unmittelbar nach der Machtübernahme damit begonnen, die Presse gleichzuschalten – und mit dem sogenannten Volksempfänger hatte Joseph Goebbels seine Propaganda direkt in die Wohnzimmer gebracht. Beim deutschen Überfall auf Polen 1939 ließ sich die folgenreiche Lüge vom angeblichen polnischen Angriff, der eine militärische Antwort erzwinge, somit widerspruchslos per Rundfunkansprache verbreiten. Dieses Ereignis markierte den Beginn des Zweiten Weltkrieges.

Besondere Bedeutung kam der Propaganda auch im Kalten Krieg zu: “Dezinformatsiya” war eine Taktik des russischen Geheimdienstes KGB. Wörtlich übersetzt bedeutet “Dezinformatsiya” “misinformation”, also Fehlinformation.

Fake-News-Fabriken in Mazedonien

Heute geht es bei Fake News auch um profane Dinge wie Klicks und Geld: Im Jahr 2016 hatte das Newsportal Buzzfeed die Betreiber von mindestens 140 Fake-News-Webseiten in Mazedonien aufgespürt. Sie betrieben Fake News als Geschäftsmodell: Werden die falschen Nachrichten über soziale Netzwerke häufig geteilt, klicken viele Menschen sie an. Je mehr Besucher eine Webseite aufweisen kann, desto höhere Gewinne können Betreiber durch Werbung erzielen. Diese werden auch als “Klick-Fabriken” bezeichnet.

Die Geschichte zeigt, wie sich die Dynamik von falschen Nachrichten durch das Internet und soziale Medien im Speziellen verändert hat. Denn die Betreiber hatten schnell herausgefunden, dass vielfach auf Facebook geteilte Beiträge zu einem Besucheransturm auf ihrer Seite führten.

Dabei gehen Fake News sowohl von Einzelnen aus, als auch von Gruppen, die teilweise in fremdem Auftrag handeln. So vermutet die EU russische Kampagnen hinter einigen der derzeit kursierenden Fake News. Regelrechte “Fake-News-Fabriken” handeln im Auftrag von Populisten und sind für Desinformationskampagnen verantwortlich, die gesellschaftliche Stimmungen und das Denken ganzer Gruppen beeinflussen sollen – bis hin zur tatsächlichen politischen Einflussnahme. Zudem machen es Desinformationskampagnen schwieriger, legitime Informationen zu glauben und schwächen somit allgemein das Vertrauen in Medien.

Desinformationen wirken psychologisch

Bei der Wirkung von Fake News und Desinformationskampagnen kommen vor allem zwei psychologische Theorien zum Tragen: der Bestätigungsfehler (auch Bestätigungstendenz, engl. confirmation bias) und die unbewusste Voreingenommenheit (engl. unconscious bias oder auch implicit bias).

Der erste Mechanismus beschreibt die menschliche Tendenz, Nachrichten zu lesen, die bestätigen, was man ohnehin schon für wahr hält. Wer also ohnehin schon vermutet, dass das Coronavirus in einem Labor entwickelt wurde, glaubt entsprechende Nachrichten. Vor allem aber neigt man dazu, Nachrichten zu ignorieren, die den eigenen Ansichten und Überzeugungen widersprechen.

Die unbewusste Voreingenommenheit beschreibt die Tendenz, Menschen in Kategorien zu unterteilen. Erhält man Nachrichten aus einer Gruppe, der man sich zugehörig fühlt, glaubt man diesen eher. Andererseits glaubt man auch Nachrichten, die die eigenen Ansichten über eine andere Gruppe widerspiegeln. Das führt dazu, dass man vorwiegend Nachrichten aus seiner eigenen Bezugsgruppe konsumiert und diesen vertraut.

In den sozialen Netzwerken können daher sogenannte Filterblasen entstehen. Schließlich verbindet man sich auch online eher mit Menschen, die die eigenen Ansichten vertreten. So verstärkt sich die Wirkung der beiden Verhaltensmuster: Psychology Today schreibt, dass die Mechanismen dort wie Steroide arbeiten. Teilen virtuelle Freunde Nachrichten, so ist es wahrscheinlicher, dass man diesen glaubt. Wenn diese Nachrichten dann auch noch die eigenen Ansichten widerspiegeln, tut der Bestätigungsfehler ein Übriges. Verstärkt wird das Ganze auch noch dadurch, dass die sozialen Netzwerke Nutzern diejenigen Nachrichten häufiger anzeigen, die in der Vergangenheit häufiger gelesen und geteilt wurden und viele “Likes” erhalten haben.

Donald Trump, Fake News und die Folgen

Donald Trump
Donald Trump bezeichnet auch etablierte Medien als “Fake News”. (Quelle: Jørgen Håland/Unsplash)

Im Dezember 2016 bezeichnete Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton Fake News als “Epidemie”, die Leben gefährde. Eine Aussage, die Medien wie CNN als Referenz zum Pizzagate-Vorfall interpretierten.

Zu diesem Zeitpunkt nutzte Donald Trump den Begriff Fake News bereits inflationär und machte ihn sich zunehmend zu eigen. Im Januar 2017 sagte Donald Trump einem CNN-Reporter, er werde seine Frage nicht beantworten, denn CNN sei “Fake News”. Auf Twitter wiederholte Trump diese Anschuldigungen – und verwendete den Begriff damit für Nachrichten, die ihm schlicht nicht gefallen. Auch schlechte Wahlergebnisvorhersagen sind für Trump Fake News.

Nicht nur viele Journalisten haben mittlerweile aufgehört, den Begriff der Fake News wegen seines Missbrauchs durch Populisten zu benutzen. Die britische Regierung hat Ende 2018 entschieden, in offiziellen Dokumenten nur noch von Desinformation (disnformation) zu sprechen.

Für die EU-Kommission beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe ebenso mit einem “Aktionsplan gegen Desinformation”. Das EU-Papier bezeichnet Desinformationskampagnen als “eine große Herausforderung für die europäischen Demokratien und Gesellschaften”, die “erhebliche negative Auswirkungen auf die Gesellschaft” haben können.

Bots manipulieren Internetnutzer

Donald Trumps Tweet
Donald Trump und Twitter befinden sich auf Konfrontationskurs.

Vor allem geht es dabei um Online-Kampagnen. Ersteller dieser Nachrichten versuchen über soziale Netzwerke , ein möglichst breites Publikum zu erreichen. Häufig übernehmen Bots – also von Computern automatisch gesteuerte Accounts – die weitere Verteilung der Nachrichten oder kommentieren diese sogar. Das erweckt den Eindruck, dass die Desinformationen auf ein breites Interesse stoßen, was Algorithmen dazu verleiten soll, die Beiträge weiteren Nutzern anzuzeigen.

Deshalb beschäftigen sich auch die sozialen Netzwerke und Technikfirmen wie Google und Facebook mit dem Thema. Denn es stellt sich die Frage, wie sich Desinformationen eindämmen lassen. Facebook setzt im Kampf gegen falsche Informationen auf maschinelles Lernen und auf menschliche Faktenprüfer. Allerdings wird insbesondere Facebook immer wieder vorgeworfen, nicht genug zu tun. Auch, weil Facebook Wahlwerbung nicht auf Fakten überprüft. Andere wiederum befürchten, dass Facebook durch eine Moderation der Inhalte darüber entscheiden könnte, was wahr und was falsch ist.

Twitter hingegen hat nicht nur politische Werbung verboten, sondern befindet sich auch auf Konfrontationskurs mit Donald Trump. Der Kurznachrichtendienst hatte einen Tweet Trumps einem Faktencheck unterzogen und einen anderen Tweet als “gewaltverherrlichend” gekennzeichnet. Daraufhin hatte Trump ein Dekret unterzeichnet, das die sozialen Netzwerke in ihren Möglichkeiten beschränken soll, Inhalte zu moderieren.

Wie gefährlich ist Desinformation?

Wissenschaftler haben sich in verschiedenen Studien mit Fake News beschäftigt. Laut einer in der Fachzeitschrift Science veröffentlichten Studie des Media Lab am Massachusetts Institute of Technology aus dem Jahr 2018, erreichen Unwahrheiten auf Twitter mehr Menschen, als wahre Nachrichten.

Politikwissenschaftler der Universitäten Princeton und Exeter haben sich in einer 2020 im Fachmagazin “Nature Human Behaviour” veröffentlichten Studie mit der US-Wahl 2016 beschäftigt. Sie kamen zu dem Schluss, dass die falschen Nachrichten einen kleineren Einfluss auf Donald Trumps Wahl zum Präsidenten hatten, als oftmals angenommen. Nur 6 Prozent der von US-Amerikanern gelesenen Nachrichten standen demnach auf Webseiten, die vorsätzlich falsche Nachrichten verbreiten. Nicht gut kommt in dieser Studie Facebook weg: 15 Prozent der Nutzer, die auf falsche Nachrichten geklickt hatten, waren in den vorausgegangenen 30 Sekunden auf Facebook aktiv. Das legt nahe, dass Menschen häufig über Links auf Facebook auf diese Webseiten gelangten.

Studien beschränken sich auf Fake News in sozialen Netzwerken

Zu Bedenken ist, dass sich die Studien hauptsächlich auf die Verbreitung von Fake News über soziale Medien – im Speziellen über Twitter – und auf die US-Wahl als konkretes Ereignis konzentrieren. Für die im Magazin “Nature Human Behaviour” veröffentlichte Studie wurde zudem nur der Browser-Verlauf auf den Computern der Probanden analysiert. Welche Nachrichten sie mobil auf ihrem Smartphone konsumiert hatten, floss nicht in die Untersuchung ein. Fake News verbreiten sich aber auch über andere Kanäle, wie Messenger-Dienste. Die Studien zeichnen also kein allumfassendes Bild. Die verantwortlichen Wissenschaftler versuchen aber auch nicht, diesen Eindruck zu vermitteln.

Dass andere Verbreitungskanäle nicht unterschätzt werden dürfen, hatte sich unter anderem 2019 in Indien gezeigt: Über WhatsApp weitergeleitete Falschnachrichten über angebliche Kindesentführer hatten dort zu mehreren Gewalttaten und sogar zu Lynchmorden geführt. In Deutschland verbreiten Corona-Leugner wie der Koch Attila Hildmann ihre Falschnachrichten bevorzugt über den Messenger Telegram.

Die Politikwissenschaftler aus Princeton und Exeter haben sich auch mit Webseiten, die Fakten-Checks anbieten, auseinandergesetzt. Solche Angebote erreichen ihre Zielgruppe demnach nicht: Sie werden nur selten von Nutzern besucht, die vorher Fake-News-Seiten aufgerufen haben. Umso wichtiger ist es, sich selbst immer wieder bewusst zu machen, aus welcher Quelle gerade gelesene Nachrichten stammen. (js)