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Myanmar: Militär hat Zugriff auf Gesichtserkennung

Erstellt am 15.März 2021, 17:58 Uhr | Kategorie: News

Myanmars Militärregierung hat in der Hauptstadt Zugriff auf ein bereits vorhandenes Gesichtserkennungssystem. Menschenrechtler sehen darin eine Gefahr für Protestierende.

Proteste in Myanmar
Seit dem Putsch im Februar kommt es in Myanmar zu Protesten gegen die Militärjunta. (Quelle: IMAGO / ZUMA Wire)

In Myanmars Hauptstadt Naypyidaw hatte die Lokalregierung Mitte Dezember ein System zur Gesichts- und Kennzeichenerkennung installieren lassen. Seit dem Putsch am 1. Februar hat die Militärjunta Zugriff darauf. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) fürchtet nun, dass die Technik gegen Protestierende eingesetzt wird.

Insgesamt 335 staatliche Überwachungskameras sind derzeit in acht Stadtteilen von Naypyidaw im Einsatz, berichtete HRW am Freitag. Die Geräte scannen automatisiert Gesichter und Kennzeichen im öffentlichen Raum und alarmieren die Behörden, wenn gesuchte Personen oder Fahrzeuge gefunden werden. Die Lokalregierungen hatten die “Safe City” genannten Projekte bereits seit 2018 geplant und argumentiert, sie würden die Sicherheit erhöhen und kriminelle Aktivitäten eindämmen. Bis Mitte 2021 wollen sie ein ähnliches System in Mandalay installieren – später soll die Stadt Yangon folgen.

Seit der Machtübernahme durch das Militär in Myanmar finden Proteste statt, von denen einige gewaltsam niedergeschlagen werden – alleine am Sonntag kamen dabei bis zu 38 Demonstranten ums Leben. HRW-Asien-Experte Manny Maung fürchtet, dass das Überwachungssystem der Junta helfen könnte, gegen Protestierende vorzugehen: “Die Fähigkeit der Behörden, Menschen auf der Straße zu identifizieren, potenziell ihre Bewegungen und Beziehungen zu verfolgen und in das Privatleben einzudringen, stellt eine ernste Gefahr für Anti-Putsch-Aktivisten dar.”

Laut Human Rights Watch mangelt es beim Einsatz der Technik auch an Transparenz: Es sei weder klar, wie persönliche Daten gesammelt, noch wie diese gespeichert und verwendet werden. Im Dezember hatte die Nachrichtenagentur Myanmar Now berichtet, das Überwachungssystem speichere Videoaufnahmen für 60 Tage. Human Rights Watch kritisiert zudem, dass nicht bekannt sei, welche Behörden unter welchen Umständen Zugriff auf die Daten haben. Der Einsatz der Gesichts- und Kennzeichenerkennung sei außerdem ohne eine öffentliche Debatte genehmigt worden.

Schutz der Privatsphäre außer Kraft

Besonders besorgniserregend ist die Überwachung laut HRW, weil die Militärjunta im Februar mehrere Paragrafen des Gesetzes zum Schutz der Privatsphäre und der Sicherheit der Bürger außer Kraft gesetzt hat. Unter anderem sei der Schutz vor willkürlichen Verhaftungen abgeschafft worden. Ein weiterer ausgesetzter Paragraf enthielt das Recht auf Privatsphäre – und hatte staatliche Überwachung ohne vorherige richterliche Anordnung verboten. In Myanmar gebe es außerdem keine gesetzlichen Vorgaben zum Sammeln, Verarbeiten oder Speichern von persönlichen Daten. Auch besonders sensible biometrische Daten werden nicht geschützt.

Gesichtserkennung gilt als fehleranfällig und birgt das Risiko, dass Unschuldige ins Visier von Strafverfolgungsbehörden geraten. Doch selbst wenn die Technik zuverlässig wäre, ermögliche sie es Regierungen, die Bewegungen und Gewohnheiten von Bürgerinnen und Bürgern zu überwachen, kritisiert HRW. Dies könne einen sogenannten “Chilling Effect” zur Folge haben, sodass Menschen aus Angst vor Überwachung nicht mehr an Versammlungen teilnehmen oder ihre Meinung nicht mehr frei äußern. Außerdem könne die Technik beispielsweise eingesetzt werden, um bestimmte ethnische Gruppen gezielt zu überwachen und zu diskriminieren.

Militärregierung soll Gesichtserkennung nicht nutzen

HWR erinnert an die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte: Sie schreibt vor, dass niemand willkürlichen Eingriffen in sein Privatleben ausgesetzt sein darf und jede Person Anspruch auf rechtlichen Schutz gegen solche Eingriffe hat. Myanmars Behörden sollten daher sicherstellen, dass persönliche Daten nur in einem eng begrenzten Rahmen verarbeitet werden, soweit dies notwendig und verhältnismäßig sei.

Myanmars gewählte Regierung habe die Massenüberwachung mit der Verbrechensbekämpfung gerechtfertigt, stärke damit nun aber die Militärjunta. “Die Einführung dieser Technologien sollte angesichts der damit verbundenen Risiken und der Möglichkeit weiterer Rechtsverletzungen ausgesetzt werden”, forderte Maung.

Ein Teil der Ausstattung zur Gesichtserkennung kommt laut Human Rights Watch von der chinesischen Firma Huawei. Diese habe der Menschenrechtsorganisation bestätigt, Kameras geliefert zu haben. Der Konzern bestreitet jedoch, dass die eingesetzte Software von ihm stammt. Unklar sei aber, ob Huawei die Kameras tatsächlich ohne die umstrittene Erkennungstechnik verkauft oder Subunternehmer mit der Installation dieser Technik beauftragt hat. Huawei soll im vergangenen Jahr auch eine Kamera-Software getestet haben, die Angehörige der in China unterdrückten Minderheit der Uiguren erkennen kann. Nach Vorgaben der Vereinten Nationen müssten Technologieunternehmen sicherstellen, dass ihre Produkte nicht für Menschenrechsverletzungen verwendet werden, mahnt HRW.

Seit dem Putsch im Februar gibt es in Myanmar auch Internetsperren: Die Organisation NetBlocks berichtete am Montag, dass das Internet nachts weiterhin abgeschaltet wird. Das Mobilfunknetz soll auch tagsüber nicht funktionieren. Laut Human Rights Watch nutzen die meisten Menschen in Myanmar das Internet über ihre Mobiltelefone. Durch die gestörten Telekommunikationssysteme ist es für die Bürgerinnen und Bürger in Myanmar derzeit schwierig, sich über die Vorgänge im Land zu informieren. Laut NetBlocks hat die Militärjunta auch den Zugriff auf die Online-Enzyklopädie Wikipedia in Myanmar sperren lassen. (js)