Radio Dreyeckland: Verfassungsbeschwerde gegen Hausdurchsuchung
Wegen der Durchsuchung seiner Privatwohnung haben der Radio-Dreyeckland-Redakteur Fabian Kienert, die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) und die Anwältin Angela Furmaniak Verfassungsbeschwerde eingereicht. Das gab die GFF am Freitag bekannt. Die Klage richtet sich auch gegen die Beschlagnahmung von Datenträgern.
Im Januar hatten Ermittler die Redaktionsräume des Freiburger Senders Radio Dreyeckland sowie die Wohnungen zweier Mitarbeiter durchsucht. Auch Computer wurden dabei beschlagnahmt. Hintergrund war ein journalistischer Artikel auf der Internetseite des Senders, in dem ein Link auf das Archiv der verbotenen Plattform “linksunten.indymedia” enthalten war. Die Staatsanwaltschaft sah in dem Beitrag eine strafbare Unterstützung einer verbotenen Vereinigung.
Wie die GFF mitteilte, will sie mit der Verfassungsbeschwerde klären lassen, dass das Setzen eines Links im Rahmen von Presseberichten keine strafbare Unterstützungshandlung darstellen kann. Außerdem soll das oberste deutsche Gericht feststellen, dass die Durchsuchung von Redaktionsräumen und Mitarbeiterwohnungen sowie die Beschlagnahmung von redaktionellen Daten die Pressefreiheit verletzt.
David Werdermann, Jurist und Verfahrenskoordinator bei der GFF, kommentierte: “Die Durchsuchungsbeschlüsse waren von Anfang an rechtswidrig und ein offener Angriff auf die Pressefreiheit. Die Presse muss kritisch über Medienverbote berichten dürfen – dazu gehört auch die Verlinkung von relevanten Seiten. Wie sollen Leserinnen und Leser sich sonst selbst informieren und eine Meinung bilden?”
50.000 E-Mails
Die Polizei hatte die beschlagnahmten Geräte zwar nach wenigen Tagen zurückgegeben, die Daten aber für weitere Auswertungen kopiert. Laut der GFF befinden sich darunter auch über 50.000 empfangene und gesendete E-Mails, der “Aktuellen Redaktion”, die teils bis ins Jahr 2010 zurückgehen. Dazu zähle die Kommunikation mit journalistischen Quellen und Interview-Partnern. Die Redaktion, der auch Kienert angehört, ist bei Radio Dreyeckland insbesondere für die aktuelle politische Berichterstattung zuständig.
Der Beschwerdeführer Kienert schilderte gegenüber dem Spiegel, Beamte hätten eineinhalb Stunden lang seine Wohnung durchsucht und dabei jeden Raum fotografiert, sowie eine Wohnungsskizze angefertigt. Dabei sei es laut Durchsuchungsbeschluss nur darum gegangen, herauszufinden, wer den fraglichen Artikel über ein Ermittlungsverfahrens im Zusammenhang mit dem Verbot von “linksunten.indymedia” verfasst hatte.
Der juristische Streit um die Durchsuchungen läuft bereits seit dem Frühjahr. Die GFF hatte im März gemeinsam mit dem Freiburger Radiosender zunächst erfolgreich Beschwerde gegen die Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse eingelegt: Das Landgericht Karlsruhe erklärte die sie Ende August für unzulässig.
Begründet hatte das Gericht dies unter anderem mit einer erheblich einschüchternden Wirkung der Durchsuchungen – Redaktionsmitglieder könnten künftig zögern, über staatliche Angelegenheiten kritisch zu berichten.
Nach einer Beschwerde der Staatsanwaltschaft Karlsruhe erklärte allerdings das Oberlandesgericht Stuttgart die Durchsuchung von Kienerts Privatwohnung im November für rechtens. Zur Begründung hieß es, es habe den Anfangsverdacht einer Straftat gegeben. Nicht erneut entschieden hatte das Oberlandesgericht hingegen zu der Durchsuchung der Redaktionsräume, sodass die Entscheidung des Landgerichts Karlsruhe Bestand hat.
Redakteur angeklagt
Das Landgericht hatte auch die Anklage gegen den Redakteur Kienert nicht zugelassen. Denn nach Ansicht des Gerichts ist die Verlinkung Teil der journalistischen Aufgabe und daher keine strafbare Unterstützung einer verbotenen Vereinigung.
Das Oberlandesgericht Stuttgart hatte jedoch auch in diesem Punkt anders entschieden und die Anklage im Juni zugelassen. Das Hauptverfahren gegen den Journalisten soll voraussichtlich im Frühjahr 2024 beginnen.
Die Plattform “linksunten.indymedia” war im Jahr 2017 vom damaligen Bundesinnenminister Thomas de Maizière auf Grundlage des Vereinsgesetzes verboten worden. Die GFF hält das Verbot hingegen für unverhältnismäßig.
Kienert kommentierte: “Meine Privatwohnungen und unsere Redaktionsräume wurden durchsucht, mehrere Laptops beschlagnahmt – und jetzt muss ich als Journalist bis vors Bundesverfassungsgericht. All das nur, weil ich einen Artikel über das Verbot einer Plattform geschrieben habe. Das ist unverhältnismäßig und zeigt, dass der Polizei und der Staatsanwaltschaft die Pressefreiheit und die Unverletzlichkeit der Wohnung wenig wert sind.”
Bereits im Januar hatte es scharfe Kritik an den Durchsuchungen gegeben. Reporter ohne Grenzen (RSF) hatte diese beispielsweise als “Angriff auf die Pressefreiheit” bewertet. Der Deutsche Journalistenverband (DJV) hatte von einem “gezielten Einschüchterungsversuch gegen unliebsame Journalisten” gesprochen.
Radio Dreyeckland ist aus der Anti-Atomkraft-Bewegung der 1970er Jahre entstanden und bekam 1988 als erstes freies Radio in Deutschland eine Sendelizenz. (js)