Polen: Ehemaliger Minister in Zusammenhang mit Spähsoftware-Kauf angeklagt

Michal Wos gibt eine Pressekonferenz
Hunderte Menschen sollen in Polen unter der Vorgängerregierung mit Pegasus ausspioniert worden sein – darunter Oppositionelle. Gegen Michał Woś (Bild) wurde in diesem Zusammenhang nun Anklage erhoben. (Quelle: IMAGO / SOPA Images)

Die polnische Generalstaatsanwaltschaft hat Anklage gegen den ehemaligen stellvertretenden Justizminister Michał Woś erhoben. Er soll im Jahr 2017 die Überweisung von Geldern aus einem Justizfond für den Kauf der Spähsoftware Pegasus bewilligt haben – obwohl dies nicht zulässig war. Das teilte die Behörde in der vergangenen Woche mit.

Woś war zwischen den Jahren 2017 und 2018 stellvertretender Justizminister der damaligen PiS-Regierung. Inzwischen gehört er der von der PiS abgespaltenen Partei “Souveränes Polen” an.

Wie die Generalstaatsanwaltschaft mitteilte, soll Woś damals 25 Millionen Polnische Zloty (umgerechnet knapp 6 Millionen Euro) aus einem Justizfonds an das Zentrale Antikorruptionsbüro überwiesen haben – das damit die Spionagesoftware Pegasus gekauft haben soll.

Der ehemalige Minister soll gewusst haben, dass die Bedingungen für den Erhalt von finanziellen Mitteln aus dem Fonds nicht erfüllt waren. Nach dem Gesetz werden die Tätigkeiten der Behörde nur aus dem Staatshaushalt finanziert.

Bereits im Jahr 2022 hatte der Präsident des Obersten Rechnungshofs die Existenz einer Rechnung bestätigt, die den Kauf von Pegasus durch die polnischen Behörden belegen soll: Die Antikorruptionsbehörde hatte die umstrittene Spionagesoftware demnach erworben und dafür illegal Gelder verwendet, die eigentlich für die Unterstützung von Verbrechensopfern bestimmt waren.

Unter anderem diese Rechnung führt nun auch die Generalstaatsanwaltschaft als Beweis an. Ihren Angaben zufolge bestreitet Woś die ihm vorgeworfene Tat.

Immunität abgesprochen

Damit Woś angeklagt werden kann, hatte das polnische Unterhaus (Sejm) ihm bereits im Juni auf Antrag des Generalstaatsanwalts und Justizministers Adam Bodnar die Immunität entzogen. Medienberichten zufolge könnte der Beschuldigte zu bis zu zehn Jahren Haft verurteilt werden.

Während des Verfahrens muss er sich regelmäßig bei der Polizei melden. Außerdem wurde ihm der Kontakt zu weiteren Verdächtigen und Beschuldigten sowie zu Zeugen untersagt.

Woś erklärte in der vergangenen Woche gegenüber Journalisten, seiner Ansicht nach sei die Anklage unzulässig, weil die Staatsanwaltschaft dazu nicht befugt sei. Zudem sei die Finanzierung der Überwachungssoftware legal gewesen. Angeblich habe die Antikorruptionsbehörde Pegasus zum Auffinden ausländischer Spione verwendet.

Oppositionelle überwacht

Sicherheitsforscher hatten im Jahr 2022 hingegen nachgewiesen, dass das Smartphone des damaligen Oppositionspolitikers und heutigen Europaabgeordneten Krzysztof Brejza im Wahljahr 2019 mehrfach mit Pegasus infiltriert wurde. Er hatte damals die Kampagne der Oppositionsallianz geleitet.

Was ist Pegasus?

Pegasus ist eine Spionagesoftware der israelischen Firma NSO Group. Die Spähsoftware kann ein infiltriertes Gerät komplett übernehmen und beispielsweise die Kamera und das Mikrofon unbemerkt anschalten – oder sämtliche Daten kopieren. Auch Standortdaten lassen sich abrufen und Passwörter auslesen. Das Überwachungsprogramm steht seit Jahren im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen in der Kritik.

Ende 2019 wurde nachweislich auch der Rechtsanwalt Roman Giertych mit Pegasus ausgespäht. Er hatte unter anderem Donald Tusk vertreten, der seit Ende 2023 erneut Ministerpräsident Polens ist und zuvor Vorsitzender des Oppositionsbündnisses Bürgerkoalition war.

Auch die Staatsanwältin Ewa Wrzosek wurde überwacht. Sie ist Mitbegründerin einer unabhängigen Vereinigung von Staatsanwälten, die von der ehemaligen PiS-Regierung angetriebene Veränderungen in der polnischen Justiz kritisiert hatte.

Später wurde auch bekannt, dass das Smartphone des Bürgermeisters der Stadt Sopot ausgespäht wurde.

Vorfälle werden untersucht

Die neue polnische Regierung hatte Anfang 2024 einen Untersuchungsausschuss eingerichtet, um zu prüfen, ob die im Dezember 2023 abgewählte PiS-Regierung mit der Spionagesoftware Pegasus politische Gegner überwacht hat.

Laut einem Zwischenbericht des Justizministeriums wurde Pegasus in Polen zwischen 2017 und 2022 gegen knapp 600 Menschen eingesetzt. Justizminister Bodnar hatte erklärt, darunter seien “viel mehr bekannte Personen” als bisher öffentlich geworden ist.

Der polnische Senat war bereits im vergangenen Herbst zu dem Schluss gekommen, dass der Kauf der Überwachungssoftware illegal war. Die Wahlen im Jahr 2019 sind demnach wegen des Einsatzes von Pegasus gegen Oppositionelle nicht fair abgelaufen.

Spähsoftware auch in anderen EU-Ländern

In der EU ist der Einsatz von Spähsoftware gegen Oppositionelle oder Medienschaffende auch in Ungarn, Spanien und Griechenland bekannt geworden.

In Griechenland wurden die Ermittlungen erst Ende Juli eingestellt. Auch in Spanien waren die Ermittlungen zunächst eingestellt, im April 2024 aber wieder aufgenommen worden.

Die ungarische Datenschutzbehörde hatte den Einsatz des Spionageprogramms als rechtlich gedeckt angesehen. (js)